Hoffentlich liegt Greta falsch
Der Klimagipfel in Polen hat ein Gefäß zur Umsetzung der Pariser Klimaziele getöpfert, dessen Befüllung immer noch ungeklärt ist. Die Stunde derwahrheit kommt 2019.
Im Plenarsaal von Kattowitz war es mucksmäuschenstill, als Greta Thunberg ans Podium schritt und mit getragener Stimme zu sprechen begann. Die junge Schwedin hatte mit ihrem Aktivismus für mehr Klimaschutz in den vergangenen Monaten international Schlagzeilen gemacht. Jetzt warf sie den versammelten Staatenlenkern auf der Bühne des UN-KLImagipfels offen klimapolitischesversagen vor:„weil ihr zu viel Angst davor habt, euch unbeliebt zu machen.“Greta Thunberg ist 15 Jahre alt.
Drei Tage später im selben Plenarsaal: Staatenlenker und Delegierte erheben sich applaudierend aus ihren Sitzen, schütteln sich gegenseitig die Hände, feiern den verspäteten Abschluss der 24. Un-klimakonferenz. Die Stimmung ist ausgelassen, eine Last scheint abgefallen, die in den vergangenen Tagen bleiern über den Verhandlern lag. Mit mehr als einem Tag Verspätung konnten sich die Vertreter aus 196 Staaten am späten Samstagabend auf ein 130-seitiges Abschlusspapier verständigen.
Mission erfolgreich, Klima gerettet? Die Bilanz dieses Gip- fels ähnelt jener der vorangegangenen: Das Pflichtprogramm wurde mit Hängen und Würgen erledigt, das Minimalziel erreicht, derverhandlungsprozess lebt weiter. Tatsächlich ist es den Delegierten am Tagungsort im polnischen Kohlerevier gelungen, ein verbindlichesregelwerk auf die Beine zu stellen, das die Umsetzung der Pariser Klimaziele in geordnete Bahnen lenkt. Daswie wäre damit geklärt, insoweit war der Gipfel kein Fehlschlag.
Die entscheidende Frage des Was wurde abermals ausgespart. Die Klimakonferenz hat ein Gefäß getöpfert, dessen Befüllung vorerst ungeklärt bleibt. Die Gipfelerklärung enthält keine Zusicherung, dass die Staaten ihre Klimaschutz-ambitionen erhöhen werden, um der Begrenzung der Erderwärmung aufweniger alszwei Gradcelsius gerecht zu werden. Die Zeit allerdings drängt. Die vergan- genen vier Jahre waren die vier wärmsten seit Aufzeichnungsbeginn. Die 20 wärmsten suchten uns innerhalb der vergangenen 22 Jahre heim.
Entlarvend ist, dass es beim Gipfel trotz dieses Wissens nicht einmal möglich war, den jüngsten Bericht des Weltklimarats, aus dem sich die Notwendigkeit größerer klimapolitischer Anstrengungen ableiten lässt, in der Schlusserklärung offiziell zu „begrüßen“. Der Hinweis, dass Derartiges im Tagungsprogramm nicht vorgesehen gewesen wäre, ist formal richtig, ändert aber wenig am Befund der Ambitionslosigkeit. Die Klima-zusagen der Staaten auf „Paris-taugliches“Niveau zu heben, ist damit Aufgabe des nächsten Gipfels 2019 in Chile. uch gehen die Entschuldigungen aus“, warf Greta Thunberg in Kattowitz den Delegierten entgegen. „Ihr habt uns in der Vergangenheit ignoriert, ihrwerdet uns wieder ignorieren.“Im nächsten Jahr, wenn esumstärkereklimaziele der Staaten und die dazugehörigen Maßnahmen geht, wird sich zeigen, ob Greta mit dieser Einschätzung falschliegt. Ihr und uns allen ist es zu wünschen.
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