Ein Antrag, der die EU erschüttern könnte
Der Eu-generalanwalt findet den deutschen Plan, Einheimischen die Pkw-maut zu refundieren, unionsrechtlich korrekt. Folgt ihm der EUGH, könnten die Folgen dramatisch sein.
Du sollst nicht diskriminieren.“Mit diesen Worten fasst Nils Wahl, Generalanwalt am Europäischen Gerichtshof (EUGH) in Luxemburg, in seinem Schlussvortrag in der Rechtssache C-591/17 einen der Grundsätze des Unionsrechts zusammen: Ein Eu-staat muss seine Bürger und Einwohner grundsätzlich behandeln wie alle anderen Unionsbürger.
Grundsätzlich. Denn in seinem am Mittwoch veröffentlichten Antrag empfiehlt Wahl dem EUGH, die Klage Österreichs gegen Deutschland wegen seiner neuen Autobahnmaut abzuweisen. Nun müssen die Richter in Luxemburg entscheiden – in mehr als 90 Prozent der Fälle folgen sie allerdings der Empfehlung des Generalanwalts.
Begonnen hat der Konflikt 2013: Im damaligen Wahlkampf hatte die bayerische CSU mit einer „Ausländermaut“für Deutschlands Autobahnen geworben: Deutsche sollten nichts zahlen, alle anderen schon. (Wahl bezeichnet das in seinem Vortrag als einen Ausdruck „des Gespensts des Populismus und des Souveränismus“).
musste die CSU dann alsbald feststellen, dass die Sache so einfach nicht zu machen sein würde: Einfach von allen ausländischen Pkw Maut einzuheben (Lkw zahlen bereits jetzt Maut), würde jedenfalls gegen das Eu-diskriminierungsverbot verstoßen.
Weswegen die Deutschen mit der Eu-kommission einen Kompromiss aushandelten: Statt eine Maut nur von ausländischen Pkw einzuheben, würden zwar alle zahlen müssen – aber bei in Deutschland gemeldeten Fahrzeugen wird im Gegenzug die jährliche Pkw-steuer um diesen Betrag gesenkt. Deutsche wird die Maut in der Regel also wenig bis gar nichts kosten.
Österreichs Spö-infrastrukturminister der vergangenen Jahre sahen darin – gestützt auf Rechtsgutachten – eine Diskriminierung und klagten beim EUGH. Deutschland will die Maut nach der Klärung durch den Gerichtshof 2020 einführen. Die Höhe soll sich nach Kriterien wie Hubraum und Emissionsklasse richten, bis zu 130 Euro für eine Jahresvignette.
Der Generalanwalt führt im Wesentlichen zwei Gründe an, warum die Maut doch Eurechtskonform sei. Erstens würden die Inhaber von Autos in Deutschland gar nicht besser behandelt: Im Gegensatz zu Ausländern müssen sie eine Jahresvignette kaufen – deren Preis sie auf die Steuer gutgeschrieben bekommen. Zum anderen seien deutsche Autofahrer getrennt zu betrachten: einerseits als Nutzer deutscher Autobahnen – als die sie die Maut zahlen –, zum anderen als deutsche Steuerzahler. Aufgrund dieser Doppelrolle könne man die Maut gegenverrechnen: Die Deutschen hätten ja bereits für ihre Infrastruktur mitgezahlt.
dieser Ansicht, könnte das deutsche Beispiel schon bald Schule machen. Infrastrukturminister Norbert Hofer (FPÖ) kündigt etwa an, auch die Maut in Österreich zu überdenken, sollte die Entscheidung so ausfallen: „Wenn die EU erlaubt, ausländische Verkehrsteilnehmer stärker zur Kasse zu bitten und gleichzeitig einheimische Autofahrer zu entlasten, dann sollte auch Österreich das tun“, schreibt Hofer in einer Aussendung. Und weiter, „dass sich dieses Modell natürlich nicht nur auf das Mautsystem umlegen lässt, sondern zum Beispiel auch auf Studiengebühren.“