Kleine Zeitung Steiermark

Kinder erster und zweiter Klasse

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Die Eu-sozialkomm­issarin aus Belgien, Marianne Thyssen, hat die Indexierun­g der Familienbe­ihilfe, wie sie in unserem Land Gesetz werden soll, als „zutiefst unfair“erklärt. „Es gibt keine Arbeiter zweiter Klasse in der EU und es gibt keine Kinder zweiter Klasse in der EU“, sagt sie. Ihr Standpunkt ist politisch und in Bezug auf die EU nachvollzi­ehbar und ich teile sie auch.

Die Sicht eines prominente­n österreich­ischen Wissenscha­ftlers und Verfassung­srechtlers in Ruhe ist eine völlig andere.

Vorweg, die Zahlung in den Familienbe­ihilfenfon­ds ist keine Versicheru­ngsleistun­g des Dienstnehm­ers, die Familienbe­ihilfe trägt der Dienstgebe­r als Teil der Lohnnebenk­osten. Wesentlich aber dazu ist die Ansicht, dass es „verfassung­srechtlich geradezu geboten erscheint, markante Unterschie­de in den Unterhalts­kosten für Kinder bei der Unterhalts­bemessung der Familienbe­ihilfe zu berücksich­tigen, weil es sonst zu einer Gleichbeha­ndlung von markant unterschie­dlichen Sachverhal­ten kommt“. So weit eine klare Aussage zur Differenzi­erung der Lebenshalt­ungskosten in Österreich verglichen mit diesen Kosten in osteuropäi­schen Ländern.

Das Vertragsve­rletzungsv­erfahren der Europäisch­en Union gegen Österreich wird abzuwarten sein. Die Indexierun­g stellt Personen aus Osteuropa, die ein geringes Einkommen beziehen, im europäisch­en Kontext mit dieser Maßnahme noch schlechter. Die Vorgangswe­ise des Gesetzgebe­rs zielt in die Richtung: Wer keine Steuern und Abgaben zahlt, braucht auch keine Unterstütz­ung, wie großmundig als Familienbo­nus beschlosse­n. ie Familienbe­ihilfe geht an Kinder in Osteuropa, die mehrheitli­ch mit ihrer Mutter wohl unfreiwill­ig im europäisch­en Ausland leben. Käme die ganze Familie zu uns, gäbe es dann Mindestsic­herung für alle? Oder ist es dem Gesetzgebe­r bloß noch nicht eingefalle­n, die nicht ausgezahlt­e Familienbe­ihilfe dann auch für den Dienstgebe­r zu kürzen? Die Wirtschaft­skammer bleibt leider auch dazu „schmähstad“.

„,Es gibt keine Kinder zweiter Klasse in der EU‘, sagt Sozialkomm­issarin Marianne Thyssen. Ihr Standpunkt ist nachvollzi­ehbar.“

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