Abschied von einem Riesen der Wahrhaftigkeit
Der britische Film verlor eine seiner größten Ikonen: Albert Finney (82) erlag den Folgen einer Infektion.
Er war der zornige junge Mann, der sich in Karel Reisz’ genreprägendem Sozialdrama „Samstagnacht bis Sonntagmorgen“gegen die Enge des Arbeiterlebens aufbäumt. Er war der Titelheld „Tom Jones“in Tony Richardsons übermütiger Satire auf britisches Klassensystem und rigide Sexualmoral: Schon als Mitte-20-jähriger hatte sich Albert Finney als einer der aufregendsten Schauspieler des jungen britischen Nachkriegskinos etabliert, in fast 50 Filmen stellte der Schauspieler mit der kräftigen Statur und der markanten Stimme enorme Vielseitigkeit, Wahrhaftigkeit, darstellerisches Feingefühl unter Beweis: „Tom Jones“brachte ihm 1963 die erste von vier Oscarnominierungen als bester Hauptdarsteller ein. Gewonnen hat er die Trophäe aber nie – weder als Poirot in Sidney Lumets „Mord im Orient Express“(1974) noch als Sir in Peter Yates’ „Ein ungleiches Paar“(1983) oder als verzweifelter Trinker in John Hustons „Unter dem Vulkan“(1984). Und auch die Nominierung als bester Nebendarsteller in „Erin Brockovich“(2000) blieb von der Academy unbelohnt.
Auszeichnungen waren dem Buchmacherssohn aus Lancashire aber wohl nie ein Anliegen: Die Ernennung zum „Commander of the British Empire“etwa lehnte er ebenso ab wie den Ritterschlag: „perpetuated snobbery“, fortgesetzte Vornehmtuerei, waren derlei Ehren aus seiner Sicht.
In den letzten Jahrzehnten profilierte sich Finney, der in seiner Heimat auch als Fernsehund Bühnenschauspieler höchstes Ansehen genoss, auf der Leinwand als gefragter Charakterschauspieler – etwa in Ridley Scotts „Ein gutes Jahr“, in Lumets „Tödliche Entscheidung“, in Sam Mendes’ Bond-film „Skyfall“. „Die Welt hat einen Riesen verloren“, stellte „007“Daniel Craig nach Finneys Tod fest. Der Mime, der 2011 einen Nierentumor überwunden hatte, verstarb am Donnerstag an den Folgen einer Infektion.