Fatales Lagerdenken
Die SPÖ gedenkt heute des 85. Jahrestags des Februaraufstands des Jahres 1934.
Es war der absolute Tiefpunkt in der politisch polarisierten Zwischenkriegszeit: Heute vor 85 Jahren erhoben sich die Sozialdemokraten und ihre Parteimiliz, der Schutzbund, gegen die seit 1933 autoritär regierenden Christlichsozialen unter Engelbert Dollfuß. Die ersten Schüsse fielen in Linz, als der paramilitärische Arm des rechten Lagers, die Heimwehr, das Parteiheim der oberösterreichischen Sozialdemokraten, das „Hotel Schiff“, nach Waffen durchsuchen wollte. Die Schutzbündler widersetzten sich, die Kämpfe griffen auf Wien, Graz, Bruck, Kapfenberg, Weiz über.
Doch der Aufstand scheiterte innerhalb von 48 Stunden. Zum einen blieb der erhoffte Generalstreik aus, nur ein Teil der Arbeiterschaft solidarisierte sich mit den Aufständischen. Die Eisenbahner etwa legten erst gar nicht ihre Arbeit nieder, in Wien griff nur ein Drittel des Schutzbundes zu den Waffen. Zum anderen war sich die rote Parteiführung über den einzuschlagenden Weg im Unklaren. Noch während der Kämpfe setzten sich der rote Chefideologe Otto Bauer und auch der Chef des Schutzbundes Julius Deutsch in die Tschechoslowakei ab. In Kärnten etwa herrschte vollständige Ruhe. Führende Sozialdemokraten distanzierten sich vom Aufstandsversuch. Der Bürgermeister von Klagenfurt sowie der stellvertretende Landeshauptmann von Kärnten erklärten den Austritt aus der Partei.
In seinem Buch über den Februaraufstand widerlegt der Zeithistoriker Kurt Bauer einige Mythen. So kamen 357 Menschen in den Kämpfen ums Leben, Bauer hat dazu eine eigene Datenbank mit den Namen aller Opfer angelegt. Die meisten Toten waren nicht Aufständische, sondern Unbeteiligte, gefolgt von Soldaten, Polizisten. Die Bilder der von der Artillerie beschossenen Wohnsiedlungen haben sich im Gedächtnis eingeprägt. In Wien starben nur sechs Personen durch den Beschuss der Wohnblöcke. Dass ÖVP und SPÖ nach 1945 in großkoalitionärem, sozialpartnerschaftlichen Einvernehmen das Land wiederaufgebaut haben, ist der Erkenntnis geschuldet, dass das Lagerdenken der Zwischenkriegszeit den Nazis in die Hände gespielt hat.