Der 12. Februar und die Politik
Vor 85 Jahren, am 12. Februar 1934, begann ein Teil des Schutzbundes den Aufstand zu proben. Den Nachgeborenen mag bei derlei heroischen Aktionen das Herz höherschlagen. Der Aufstand gegen das autoritäre Regime muss nicht unbedingt ein Verbrechen sein; aber er war mit Sicherheit ein Fehler. Er fand statt, gerade als innerhalb des Regierungslagers die Christlichsozialen und die Heimwehren nahe daran waren, aufeinander loszugehen. Der Aufstand schweißte die beiden Rivalen für eine Zeit lang wieder zusammen. Er war militärisch chancenlos. Nur ein kleiner Teil der Arbeiterschaft schloss sich an. Die Parteiführung hatte bis zuletzt vor dem Aufstand gewarnt, der gegen ihren Willen stattfand.
Umso erstaunlicher war es, wie sehr die SPÖ nach 1945 den 12. Februar zur Ehre der Altäre erhob. Natürlich waren die Gründerväter der SPÖ, wie Renner, Schärf oder Helmer, 1934 gegen den Aufstand gewesen. Aber sie erwiesen den Kämpfern des Februar ihre Reverenz, gerade auch den Revolutionären Sozialisten, die den Kampf nach 1934 im Untergrund fortgesetzt hatten. Die Revolutionären Sozialisten waren ehrliche Leute: Sie sprachen nicht von der Wiederherstellung der Demokratie, sondern von der Diktatur des Proletariats als Ziel. Nach 1945 wollten die Männer des rechten Flügels, Renner und Schärf, sie für eine friedliche Koexistenz mit den alten Gegnern gewinnen. er Kult des Februar 1934 war ein auskömmlicher Preis, der dafür zu zahlen war. Man lobte die Heißsporne der Ersten Republik, um sie desto leichter in die Zweite Republik zu integrieren. Das Muster ließ sich auch auf die anderen Lager übertragen. Vergangenheitsbewältigung bedeutete nicht Reue und Umkehr. Sondern den ganz pragmatischen Tribut an die Vernunft, dass andere Zeiten auch andere Zugänge erfordern. Schärf warnte seine Genossen: „Wer die Vergangenheit nicht zu vergessen weiß, wird die Zukunft verlieren.“Der Erfolg gab ihm recht. So hat vielleicht sogar „Geschichtspolitik“ab und zu ihr Gutes – nicht vom Standpunkt der Geschichte, aber der Politik.
Man lobte die Heißsporne der Ersten Republik, um sie desto leichter in die Zweite Republik zu integrieren.
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