Der Märchen-wachküsser
Folke Tegetthoff, gerade 65 Jahre alt geworden, trat vor 40 Jahren erstmals als Märchenerzähler auf.
Schon die Vorgeschichte des „schönen Drachen“ist eine sagenhafte. Folke Tegetthoff, damals ein wild gelockter, vollbärtiger Mittzwanziger, organisierte sich eine Kopiermaschine an der TU Graz, trommelte ein paar Freunde zusammen und kopierte in einer Nacht 1000 Exemplare seines ersten Buchs.
„Am Tag habe ich es dann zum Buchbinder gebracht, eine Woche später haben wir es präsentiert“, erzählt er heute über seinen ersten Auftritt an seinem 25. Geburtstag, genau vor 40 Jahren und zwei Tagen, im damaligen Grazer Stadtmuseum. Bevor das Buch im Eigenverlag erschien, hatte er das Manuskript an 20, 30 Verlage geschickt. Die Absage war immer ähnlich: „Das Märchen ist tot. Es gibt keine lebende Märchendichtung – und wir brauchen auch keine, wir haben doch die alte.“Tegetthoff aber blieb hartnäckig, verkaufte auf Messen Bücher aus seinem Bauchladen, veröffentlichte zwei weitere Bücher im Eigenverlag – nun aber in der Druckerei gedruckt – und wurde beim vierten endlich von einem Verlag entdeckt.
Dann wachte das zart wachgeküsste Märchen-genre endlich auf – mit den „Liebesmärchen“, nach wie vor eines der meistverkauften Bücher eines lebenden österreichischen Autors, hatte Tegetthoff 1981 seinen ersten Bestseller. Seither wurden 43 Bücher in 12 Sprachen übersetzt und wurden eineinhalb Millionen Mal verkauft, dazu kamen weltweite Auftritte und erfolgreiche Veranstaltungen, von denen das Storytelling-festival Graz (heuer vom 24. Mai bis 10. Juni) nur eine ist.
An den Pensionsantritt verschwendet er zum 65er keine Sekunde: „Ich fühle mich heute energiegeladener als vor 20 Jahren.“Neben dem Schreiben und den Festivals, die Tochter Tessa organisiert, arbeitet der Vater vierer Kinder („Ich rede mit allen noch!“) und Großvater eines Enkels (dem er noch als Ungeborenem 2017 das Buch „Let’s chat, Baby!“widmete) auch im Marketing. Er entwickelt Storytelling-konzepte für Unternehmen: „Das ist ein ganz wichtiger Bestandteil meiner Arbeit geworden, es macht mir großen Spaß.“as er sich für die nächsten 40 Jahre wünscht: „Ich möchte so lange wie möglich das tun, was ich jetzt tue, es gibt nichts Schöneres.“Und: „Wenn ich zu einem Moment komme, wo ich zurückblicke, dann kann ich sagen: Wow, es war ein Wahnsinnsleben!“
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