„Die Kirche verliert die Glaubwürdigkeit“
Leserinnen und Leser machen den Zölibat für Missbrauchsfälle in der Kirche verantwortlich.
Vor dem Hintergrund ständiger neuer Aufdeckungen von Missbrauch an Ordensschwestern durch Priester und Bischöfe in aller Welt, vor dem Hintergrund des Missbrauches von Kindern und Jugendlichen durch Priester, die nicht in der Lage sind, das kirchliche Gesetz des Pflichtzölibats einzuhalten, stellt sich die Frage nach der Rechtmäßigkeit dieses Gesetzes. Das Ansehen der Kirche sinkt dramatisch und viele Menschen kehren der Kirche den Rücken. Verständlich!
Trotzdem ist die kirchliche Hierarchie nicht bereit, dieses Gesetz zu ändern. Im Gegenteil, jene Priester, die in Rom um Dispens von diesem Gesetz angesucht und geheiratet haben, werden mit dem Verlust ihres Priesterdienstes bestraft und aus dem Amt entfernt, ja sie werden von gewissen konservativen Kreisen geächtet. Die Folge ist ein eklatanter Priestermangel. Was muss noch alles geschehen? Kinder und Jugendliche; ja sogar der Herr Kardinal erzählt von einem versuchten Übergriff eines Priesters auf ihn. Was ist denn da los? Es reicht!
Mir tun bei dieser Diskussion besonders jene Priester leid, die in ihren Pfarren großartige Arbeit leisten, denn die Versuchung ist natürlich groß, jetzt „alle in einen Topf zu werfen“. Ich selbst war 18 Jahre lang katholischer Priester. Und wenn ich nicht schon vor Jahren die Reißleine gezogen hätte, ich weiß nicht, wie ich heute reagieren würde.
Ein, wenn nicht der Grund dafür, ist meiner Ansicht nach der verpflichtende Zölibat, an den die Priester gebunden sind. Wann schlachtet man endlich diese „heilige Kuh“? Der Kirche gehen die Priester aus, der Kirche fliegt die Glaubwürdigkeit davon, und auch die moralische Instanz in Sachen Sexualmoral hat sie mit diesen Skandalen der vergangenen Jahre längst verloren. Es ist zum Weinen. Der Film (von Stefan Meining) in der Orf-sendung „Kreuz und quer“über den außerordentlich offenen Gedankenaustausch zwischen der deutschen Theologin und ehemaligen Ordensfrau Doris Wagner und Kardinal Schönborn über den (auch ihren) sexuellen und spirituellen Missbrauch durch Priester gibt mir etwas Hoffnung. Es wurde offen auf Faktoren, die den Machtmissbrauch begünstigen, hingewiesen: Männerdominanz und unkontrollierte Macht, Schutz der Täter, kirchliche Dynamik des Schweigens und Vertuschens, Frauen gelten nicht als gleichberechtigt.
Was mir jedoch gefehlt hat, war der Hinweis, dass die römisch-katholische Kirche zurück zu den Wurzeln muss, was so viel heißt, wie sich auf Jesus Christus und sein Leben, das er uns vorgelebt hat, zu besinnen. Ich bin mir nicht sicher, ob Jesus überhaupt eine Kirche gewollt hat bzw. sicherlich keine röbrauchte misch-katholische „Macht-kirche“. Mit großem Befremden las ich, dass das Bildungshaus Mariatrost seine Tätigkeit einstellen wird. Ich habe zeitlebens von dieser bedeutenden Bildungseinrichtung der Diözese Grazseckau profitiert. Auch in schwierigen Entwicklungsabschnitten meines Lebens haben mir Martin Gutl und viele andere Vortragende wegweisende Schritte gewiesen. Welche Landeshauptstadt hat das Glück, innerhalb der Stadtgrenzen Tausenden Menschen (und weit darüber hinaus) wertvolle Bildungsangebote zu bieten? Noch heute im hohen Alter profitiere ich immer wieder von diesen vielseitigen Angeboten, die man auch ohne Auto leicht erreichen kann. Wäre es nicht sinnvoller, anderswo einzusparen?