Die Siegerverärgerung
Von Franzobel
Ein achtzigjähriger Politiker hat einmal gesagt: „Das Altwerden ist ein biologischer Skandal. Ich bin damit nicht einverstanden. Ich bin fit und voll auf der Höhe, aber wenn das so weitergeht, wird es furchtbar sein.“
Er hat recht, irgendwann wird es grauenvoll, sogar der Sportkonsum, kennt man die neuen Generationen nicht mehr. Dabei geht es hier gar nicht um Brennsteiner, Windingstad, Aliprandini oder wie die Jungspunde alle heißen. Auch nicht um Henrik Kristoffersen, dem man selbst als Sieger eine gewisse Unzufriedenheit mit sich und der Welt ansieht, eine Rebellion gegen die Haut, in der er steckt. Es geht um den Sinn aller Ski-weltmeisterschaften und Weltcups, um das, was dabei herauskommt – Tausende Kids, die man schneebedeckte Hänge hinunterjagt. Nun ist Skifahren zwar ein großer Spaß und leiwand vorgestellt, aber leider teuer. Ausrüstung, Liftkarte, Anreise, Übernachtung, nicht alle können sich das leisten. Früher fuhr man noch im Pflug mit Bändern um die Bindung und beim Einsteigen in den Sessellift wurde einem die Sitzfläche in die Kniekehle gehackt. Heute sind die Sessellifte oft beheizt, fahren Kinder Pizzaschnitte (nicht selten mit Affenzahn belegt). Aber immer noch ist der Schnee „gfrührig“, muss man „einebeißen“und beginnt nach dem Ausziehen der Skischuhe ein zweites Leben. ieses Jahr hat mein Sohn wie immer während der ersten Liftfahrt einen Stock
Dverloren, brachte meine Freundin kurz vor dem Aussteigen aus dem Sessellift ihre Skispitzen in den Schnee und wäre günstigstenfalls mit einem gebrochenen Bein davongekommen, wenn nicht der Liftwart rechtzeitig und damit in letzter Sekunde auf den Not-aus-knopf gedrückt hätte. Dafür fuhren beide nur kurz Bogerl auf den blauen Pisten, um bald darauf ins ungesicherte Gelände abzubiegen – zum Glück folgenlos. Skifahren ist für Hobbysportler nicht weniger gefährlich als für Profis. in kurzer Blick auf die Uhr, schon hat unmittelbar vor einem einer abgeschwungen. Einmal kurz nicht aufgepasst, schon liegt man und kann die Farbe des Schnees, und damit ist jetzt nicht das gleichnamige Parfüm gemeint, studieren. Aber Skifahren ist eben auch unglaublich schön: das Panorama und das Gleiten durch die Elemente, dazu Hüttenzauber, Germknödel und Zirbenschnaps. Kinder werden in Skikurse gesteckt, um nach dem Abschlussrennen traurig über den letzten Platz oder unglücklich über den ersten zu sein, und etwas sagen wie: „Die Siegerverärgerung war ganz schrecklich, noch nicht einmal der Nationalhymnus wurde gespielt.“kifahren ist herrlich, und auch wenn die biologische Uhr unbarmherzig tickt, ist man dafür eigentlich nie zu alt. Also raus auf die Pisten. Hals- und Beinbruch.
ESFranzobel, 1967 in Vöcklabruck geboren, ist Schriftsteller und Sportfan.