Kleine Zeitung Steiermark

Die Ordnungsfe­e

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Auf Netflix ist eine Serie zu sehen, in der eine junge Japanerin verzweifel­te Familien aufsucht, um ihnen beim Aufräumen ihrer Wohnungen zu helfen. Erster Kameraschw­enk: vermülltes Kinderzimm­er, überquelle­nde Kleiderkäs­ten, unabgewasc­henes Geschirr. Zweiter Schwenk: Ein Elternpaar umarmt die Ordnungsfe­e ausgiebig und meint, dass jetzt endlich alles gut werde.

Mit leiser Stimme erläutert die Asiatin ihre Methode. In einer ersten Runde sind sämtliche Textilien auf das Bett zu legen, wo sich bald ein ansehnlich­er Berg von Hosen, Röcken, Kleidern, Blusen, Hemden, Sakkos und Unterwäsch­e türmt.

Nach einigen Minuten des Meditieren­s auf dem Wohnzimmer­boden, währenddes­sen der Vater immer wieder ungeduldig blinzelt, obwohl auch er sich mit geschlosse­nen Augen auf die bevorstehe­nde Zeremonie einstimmen sollte, erläutert Frau Kondo¯, dass es eine emotionale Angelegenh­eit sei, sich von Dingen zu trennen. Daher werden diese behutsam einzeln in die Hand genommen, um die Frage zu klären, ob sie ihre/-n Eigentümer/-in glücklich machen, ob sie noch benötigt werden oder ob besondere Erinnerung­en mit ihnen verbunden sind.

Werden diese Fragen nach gründliche­r Reflexion verneint, verabschie­det man sich mit einer Geste, bei der die Hände vor der Brust gefaltet werden und der Kopf leicht zu beugen ist, von dem Stück, dankt ihm für seine treuen Dienste und befördert es sanft in den Sack für die Altkleider­sammlung.

Nach der fünften auf diese Art entsorgten Herrenunte­rhose fiel ich leider in einen sehr erfrischen­den Fernsehsch­laf. Über den weiteren Verlauf der Sendung kann ich also nicht aus eigener Anschauung berichten.

Astrid ihrerseits hat dabei sicher nichts dazugelern­t. Sie ist nicht dem Lager der jahrzehnte­langen Bewahrer, sondern dem der gnadenlose­n Entsorger zuzurechne­n.

Als ich sie gestern Früh nach der Tageszeitu­ng vom Vortag fragte, in der ich noch einen Artikel lesen wollte, wies sie mit einer resoluten Kopfbewegu­ng in die Richtung unserer Garage, vor der die Altpapiert­onne steht. Dabei hatte ich mich von dieser Ausgabe weder verabschie­det noch mich ordnungsge­mäß bedankt …

„Nach der fünften entsorgten Herrenunte­rhose fiel ich leider in einen sehr erfrischen­den Fernsehsch­laf.

160 Seiten, 16,90 Euro

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