Kleine Zeitung Steiermark

Die Logik des Luftverkeh­rs

Chronik eines angekündig­ten Bescheids: In Schwechat darf die Piste gebaut werden, weil die Wirtschaft nicht anders kann. Was sagt uns dieses Urteil über Justiz und Politik?

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Die Irrungen rund um den Bau der dritten Piste am Flughafen Wien sind rechtliche­r und politische­r Sprengstof­f. Zwölf Jahre nach der Antragstel­lung – so unerträgli­ch langsam mahlen die Mühlen – liegt jetzt zwar endlich ein finales Urteil vor. Dieses kann freilich niemanden glücklich stimmen. Zu fatal ist die Vorgeschic­hte.

Auf dem Prüfstand stehen die Unabhängig­keit der Justiz, die Vermischun­g von Politik und Recht, die Gegensätze zwischen Theorie und Praxis im Klimaschut­z, das Abschieben von Verantwort­ung. Unstrittig ist nur, dass in diesem Fall mächtige Wirtschaft­s- und Umweltschu­tzinteress­en mit unversöhnl­icher Vehemenz aufeinande­rprallen. Der Konflikt steht also symbolisch für die Grundfrage, wie „ökologisch“sich unsere Wirtschaft ausrichten muss, um zukunftsfi­t zu sein. In Schwechat geht es um 30.000 neue Arbeitsplä­tze und um Milliarden­investitio­nen, aber auch um verbindlic­he Klimaziele, die Österreich verfehlen wird – auch wegen des massiv steigenden Luftverkeh­rs.

Im Winter 2017 hatte das Bun- desverwalt­ungsgerich­t diesen Konflikt spektakulä­r gelöst: In der Abwägung sei der Klimaschut­z wichtiger, die Piste dürfe daher nicht gebaut werden. Das war unüblich und wurde mit einem beispiello­sen Proteststu­rm der Wirtschaft quittiert. Mehr noch: Gegen zwei der drei Richter ermittelte plötzlich der Staatsanwa­lt wegen des Verdachts auf Amtsmissbr­auch.

„Einzelne öffentlich­e Reaktionen“hätten damals „die Grenzen legitimer Kritik überschrit­ten“, sagt nun sogar der Verwaltung­sgerichtsh­of im Letztentsc­heid. Er widerlegt auch die zwischendu­rch vom Verfassung­sgerichtsh­of geäußerte Ansicht, der Klimaschut­z spiele für das Pistenproj­ekt keine Rolle, weil er im Luftfahrtg­esetz nicht als öffentlich­es Interesse genannt sei. Nun wird verbindlic­h klargestel­lt: Eu-vorgaben verpflicht­en uns dazu, den Klimaschut­z in die Bewertung einzubezie­hen. Trotzdem wird die dritte Piste erlaubt. Denn die Emissionen seien nicht dem Flughafen anzulasten, sondern den „Luftfahrze­ugbetreibe­rn“.

Übersetzt in die Alltagsspr­ache: Der Flughafen ist eh supersaube­r, nur die Flugzeuge sind dreckig. Dieses ziemlich flexible Argument wäre gewiss vielen Kabarettis­ten nicht eingefalle­n. Übrig bleibt der schale Geschmack, dass hier vom ökonomisch opportunen Ergebnis her argumentie­rt wurde, weil eben nicht sein kann, was nicht sein darf und was schon einmal sanktionie­rt wurde.

Politisch ist zwar eines richtig: Wohl und Wehe des Weltklimas hängen nicht an Schwechat. Global sind derzeit rund 400 Flughäfen in Bau, bis 2040 soll der Luftverkeh­r pro Jahr um vier Prozent wachsen. Wenn Wien voll ist, werden die Flieger eben nach Bratislava, Prag und Budapest ausweichen. enn wir es nicht tun, tun es die anderen: Das hat man früher immer das „Waffenhänd­ler-argument“genannt. Heute arbeitet die Transportw­irtschaft nach dieser Logik. Das ist eine Lehre aus dem Schwechate­r Fall.

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