„Schwänzen im Interesse höherer Werte“
Leser verteidigen Schüler, die während der Schulzeit gegen den Klimawandel demonstrierten.
Um den Erhalt demokratischer Werte gerade in Zeiten, wo der Populismus („Rechte Menschen statt Menschenrechte“und „Andersdenkende sind immer Feinde“) überhandnimmt, muss ohnedies wiederum gekämpft und bei jeder Gelegenheit in Gesprächen Position bezogen werden. Es geht dabei auch um andere Werte, wie verloren gegangene Solidarität in einer kalt, egozentrisch und neoliberal gewordenen Gesellschaft. Demokratie ist eine Bringschuld und keine Holschuld und ohne Demokratie keine Freiheit.
Wenn manche Politiker und auch Publizisten auf die Schülerproteste für Klimaschutz in der Weise reagieren, dass sie zuerst einmal das Schulschwänzen thematisieren, dann haben sie gar nichts verstanden. Demokratie bedeutet Verpflichtung zum Engagement, diesfalls sind ein paar verloren gegangene Schulstunden durch länderübergreifende Schülerproteste im Interesse höherer Werte völlig irrelevant.
Und wenn die Wirtschaft und ihre politischen Vertreter vor den gewinnschmälernden Kosten des Klimaschutzes die Panik bekommen und solche Initiativen daher auch nicht unterstützen, dann hat deren Kurzfristgedächtnis auch nichts verstanden. Immer mehr große Autos (SUV), immer mehr Flug- und Autoverkehr. Der Co2-ausstoß steigt, entgegen den Versprechungen der Politik. Und die Prognosen sagen: noch mehr Verkehr, mehr Flüge, mehr CO2. Handeln ist absolut notwendig. Plötzlich sind es unsere Kinder, die uns Vorbilder sind und die wirklich wichtigen Aufgaben der Menschheit erkennen und in die Hand nehmen. Sie gehen zu Tausenden in vielen großen und kleinen Städten auf die Straße, um auf die Klimakatastrophe aufmerksam zu machen, die wir – ihre Eltern und Großelterngeneration – verursacht haben. Und schon gibt es alte Stänkerer, die lieber Diktate schreiben, Vorwürfe machen, Verbote aussprechen.
Die Jugend soll doch ihre Maturareise am Fahrrad antreten, ihre Handys abschalten, in den Öffis zur Schule fahren. Natürlich, liebe Kinder, seid unsere Vorbilder, vielleicht stornieren wir dann auch unsere nächste Flugreise, vielleicht fahren wir dann auch mit den Öffis zur Arbeit oder genießen die frische Luft bei einer Fahrradtour. Oder wir denken so weit um, dass wir euch diese teuren Reisen, Handys, Luxusgüter nicht mehr anbieten, um aus euch Gewinn zu schlagen, und stattdessen mit euch für eure Zukunft und die unseres Planeten einstehen. Sehr geehrter Herr Ferk, jetzt weiß ich endlich, wie juristische Gerechtigkeit auf dieser Welt aussieht: Die einen demonstrieren gegen die Verbauung der österreichischen Flüsse und für die Einhaltung von Uvp-ergebnissen (drei Murkraftwerke in Graz und Grazumgebung), die anderen für den Klimaschutz auf der Weltbühne. Der Unterschied? Die einen werden angezeigt und der österreichische Rechtsstaat macht ihnen den Prozess, die anderen schwänzen gegen das Gesetz die Schule und werden für den Friedensnobelpreis vorgeschlagen. Wir können stolz und dankbar für diese Jugendlichen sein! Die „Jugend von heute“ist eben nicht vergnügungssüchtig und desinteressiert an ihrer Umwelt wie so viele Erwachsene, die meinen, das geht sie alles nichts an. Diese Jungen zeigen Mut und Zivilcourage.
Für seine Überzeugung auf die Straße zu gehen und friedlich für etwas zu kämpfen, ist gelebte Demokratie und für die Persönlichkeitsentwicklung genauso wichtig wie Schulunterricht. Wären meine Kinder noch in der Schule, ich würde ihnen mit Stolz eine Entschuldigung schreiben.