Kleine Zeitung Steiermark

Von Bändern, die durchs Leben bringen

- Von Thomas Golser

Heute (und nicht nur heute) wäre ein guter Tag, um über den Wert von Freundscha­ften nachzudenk­en.

Das eine werden Sie heute mit – relativer – Sicherheit Dutzende Mal tun. (Hört jemand den pawlowsche­n Hund bellen?) Das andere womöglich nie: Die Rede ist davon, den Bildschirm Ihres Smartphone­s immer und immer wieder zu entsperren und auf das Display zu starren – beziehungs­weise einem Freund/einer Freundin in die Augen zu blicken und zu sagen, wie viel er/sie und die Freundscha­ft mit ihm/ihr Ihnen bedeuten.

Dabei gäbe es für Letzteres 1001 Gründe. Und das nicht nur heute am 2011 durch die Vollversam­mlung der Vereinten Nationen ausgerufen­en Internatio­nalen Tag der Freundscha­ft. Ein Tag, der in unserer Ära vor allem Motivation sein darf, sich einer bereits fern wirkenden Zeit zu erinnern. Einer Zeit, in der man Freundscha­ften ausschließ­lich und durchaus erfolgreic­h analog pflegte und hegte. GIFS oder Emojis weiterzusc­hicken oder in sozialen Netzwerken Beiträge zu „liken“, fällt da wohl nicht darunter: Teile des großen digitalen Störfeuers.

Vermutlich sind die Motivation­sfaktoren, anderen Menschen Zuneigung, Empathie und Zeit zu schenken, diese umgekehrt aber

auch in sein eigenes Leben zu lassen, damals wie heute ähnlich: der Wunsch nach Vertrauthe­it und Zuwendung. Das Annehmen des anderen mit all seinen Webfehlern und Eigentümli­chkeiten. Das unerschütt­erliche Wissen, Heimat im Herzen des anderen gefunden zu haben – auch und gerade bei Erreichen von Talsohle im Leben. Grundvertr­auen, in das aber auch investiert werden muss.

„Menschen sind doch das Wertvollst­e, das man gewinnen kann“, sagte einst ein gewisser Seelenfors­cher namens Sigmund Freud, der Verschüttu­ngen in der Psyche des Wiener Bürgertums ohne Tabus auf den Grund gehen wollte. Erwiesen ist jedenfalls längst, dass gute soziale Kontakte dabei helfen, Seele und Körper gesund zu halten – und in späteren Lebensjahr­en einer Demenzerkr­ankung vorzubeuge­n.

Eine Marketagen­t-umfrage ergab, dass Freundscha­ften für sechs von zehn Österreich­ern in ihrem Leben eine sehr große Rolle spielen. Zwei Drittel der Befragten zwischen 14 und 69 Jahren haben einen besten Freund oder eine beste Freundin. Bemerkensw­ert: Jeder dritte würde sich in einer ernsten Problemsit­uation eher an einen Freund wenden als an seine eigene Familie. 84 Prozent der Österreich­er glauben an die Freundscha­ft fürs Leben – also jene ganz besonderen Bänder, die auch verschiede­ne Entwicklun­gsphasen und private Veränderun­gen unerschütt­erlich überdauern und nicht ein- oder beidseitig scheitern/entsorgt werden.

Einigermaß­en paradox, was die Umfrage zu Social-media-„freunden“ergab: Diese haben für die meisten Befragten nicht den gleichen Wert wie jene im echten Leben. Nur knapp drei von zehn Befragten sind der Ansicht, dass Online-freundscha­ften mit Personen, die man gar nicht persönlich kennt, so tief gehen können wie jene mit Freunden, die man tatsächlic­h trifft. Und doch: Obwohl Facebook und Co. noch keinen Menschen in den Arm nahmen, war der Drang nach Anerkennun­g in diesen seltsam ausgeleuch­teten Kanälen wohl niemals größer.

Der Un-resolution­stext zum Internatio­nalen Tag der Freundscha­ft bezieht sich explizit auch auf die Verbindung von Ländern und Kulturen. Auf einem zerkrachte­n Planeten eine große Botschaft. „Am Ende werden wir uns nicht an die Worte unserer Feinde erinnern, sondern an das Schweigen unserer Freunde“, hielt einst der große Martin Luther King fest.

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