Zeit zum Handeln war vorgestern
Hitze, Dürre, Überschwemmungen: Der Istzustand des Klimas ist noch lange nicht das neue Normal. PR allein wird Österreichs Bilanz nicht retten; es braucht große Ideen.
In seinem soeben auf Deutsch erschienenen Bestseller „Die unbewohnbare Erde“beschreibt Us-journalist David Wallace-wells, wie unsere Welt zu Ende geht. Westliche Großstädte, die auf einmal Wüstentemperaturen ertragen müssen; eine Landwirtschaft, die nicht einmal mehr die Hälfte der Menschheit zu ernähren vermag; giftige Ozeane, neue Seuchen, ewiger Krieg um die verbliebenen Ressourcen: Es ist ein ernüchterndes Buch, eine moderne Apokalypse.
Das Verstörende daran: „Die unbewohnbare Erde“ist keine Science-fiction, es ist ein Sachbuch. Eines, das in recht nüchterner Sprache aktuelle Forschungsergebnisse referiert und Konsequenzen zeichnet, die in den kommenden Jahrzehnten, zu Lebzeiten der meisten von uns, eintreten können.
Die „Klimadebatte“ist in ihren Auswirkungen schwer zu vermitteln: Zu lang wurde mit Bildern von schmelzenden Polkappen und hungernden Eisbären hantiert – alles weit, weit weg –, zu abstrakt klingen Konsequenzen wie „zwei Grad höhere Durchschnittstemperatur“. Erst nach und nach wird
auch uns Mitteleuropäern bewusst, was das alles heißt: Wenn es wieder einmal wochenlang nicht regnet und die Sonne vom Himmel brennt; wenn hundertjährliche Hochwässer plötzlich alle paar Jahre eintreten; wenn gefühlt jeder Wetterbericht mit „... der heißeste Monat seit Beginn der Aufzeichnungen“schließt. ieser Istzustand mit all seinen Folgen, das ist noch lange nicht das neue Normal. Denn selbst, wenn alle Staaten der Welt die im Rahmen der Vereinten Nationen verhandelten Verpflichtungen des Pariser Klimaabkommens einhalten sollten und das Zwei-gradziel erreicht werden sollte, wird es noch immer schlimmer.
Derzeit schaut es nicht danach aus, dass dieses Ziel erreicht werden kann – wir sind mehr auf Kurs Richtung unbewohnbarer Erde als zu einer Kurskorrektur.
DVor diesem Hintergrund mutet es seltsam an, wenn in Österreich über die 2018 gesunkenen Treibhausgasemissionen gejubelt wird, als ob das Land glänzend dastünde. Die gesunkenen Werte sind vor allem zufälligen Faktoren geschuldet, etwa dem wärmeren Winter, dessentwegen weniger geheizt wurde. etzt kann man aus Sicht der ÖVP, die über Jahrzehnte die Umweltminister stellte, nachvollziehen, dass man die Bilanz dieser Jahre möglichst gut darstellen möchte. Aber auch, wenn Österreich nicht völlig untätig war, was Klimapolitik angeht: Genug war es nicht, um die Paris-ziele zu erreichen. Das muss sich ändern, spätestens mit dieser Wahl. Zeit zum Handeln wäre es seit vorgestern; jetzt braucht es klare Schnitte, um zu retten, was zu retten ist. Und da stoßen wir an die Grenzen dessen, was möglich ist: Drastische Veränderungen, wie sie nötig wären, um etwa im Verkehr aus Treibhausemissionen auszusteigen, sind nur schwer mehrheitsfähig.
Nur: Die katastrophalen Alternativen sind es noch weniger. Es ist Zeit für große Ideen.
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