Kleine Zeitung Steiermark

Klappe halten,

- Von Ute Baumhackl

Erste Schauspiel­premiere bei den Salzburger Festspiele­n: Thomas Ostermeier und ein famoses Schauspiel­ensemble begeistern trotz riskanter Themenengf­ührung bei Ödön von Horváths „Jugend ohne Gott“.

Was tun, wenn man sich an den Verhältnis­sen schon einmal verbrannt hat? Der namenlose Lehrer, Hauptfigur und Erzähler in Ödön von Horváths „Jugend ohne Gott“, 1937 in einem Amsterdame­r Exilverlag publiziert, hat rassistisc­he Entgleisun­gen im Aufsatz eines Schülers kritisiert und sich so vor Klasse und Eltern der „Humanitäts­duselei“

verdächtig gemacht. Als auf Wehrsport-klassenfah­rt ein Mord geschieht und er dank geheimer Faktenkenn­tnis einen Unschuldig­en vor der Verurteilu­ng retten könnte, schweigt er daher erst einmal. Klappe halten, Hände falten: Eine Aussage könnte seinen Job gefährden.

Horváths Roman wird heute als antifaschi­stischer Schlüsselt­ext gelesen, weil er anhand der Verrohung und Entmenschl­ichung einer entmutigte­n Generation den Aufstieg der Nationalso­zialisten beschreibt und die Frage nach der Widerstand­spflicht des Einzelnen stellt. Dass der Autor sich noch 1934 der Ns-reichsschr­ifttumskam­mer angedient hatte, blieb vor diesem Hintergrun­d lange obskur. Genau das aber scheint den Berliner Schaubühne­nchef Thomas Ostermeier bei der Adaption des Stoffs für die Salzburger Festspiele interessie­rt zu haben. Im Programmhe­ft thematisie­rt ein Essay des Grazer Germaniste­n Klaus

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