Musst du schon weg, Okjökull?
Island erklärt nun seinen ersten Gletscher für „tot“.
Er war etwa 700 Jahre alt und hatte mit Okjökull einen für isländische Verhältnisse simplen Namen. Dann trat der Mensch mit unstillbarem Hunger nach Energie in Erscheinung – und nun ist er Erdgeschichte: Die mit imposanter Natur gesegnete Insel im Nordatlantik erwies ihrem ersten temperaturbedingt verschwundenen Gletscher die letzte Ehre. Island erklärte Okjökull in einer Zeremonie im eisfreien Geröllfeld offiziell für „tot“– auch Regierungschefin Katrin Jakobsdottir kam. Gerade noch 15 Meter ist dieser Gletscher dick. Damit ist er zu leicht, zu kümmerlich geworden, um sich voranwälzen zu können.
Auf einer Plakette ist zu lesen: „In den nächsten 200 Jahren ist zu erwarten, dass all unsere wichtigsten Gletscher den gleichen Weg gehen. Diese Gedenktafel dient dazu, anzuerkennen, dass wir wissen, was vor sich geht und was zu tun ist.“Alleine muss sich Okjökull nicht fühlen: Weltweit büßen schmelzende Gletscher nach Schätzungen der Universität Zürich jedes Jahr rund 335 Milliarden Tonnen Eis ein. Sag zum Abschied laut Servus.
Gletscher sind eisiges und zumeist Millionen Jahre altes Tafelsilber unseres fortschreitend klimagewandelten Planeten: Mensch könnte sich durchaus ausrechnen, wie es weitergeht, wenn sie selbst in Ländern, die als klimatisch frostig gelten/galten, davonrinnen. Trotz einer Schussfahrt ins Tal wird erstaunlich viel Energie aufgewandt, um zu diskutieren, wie eine 16-Jährige den Atlantik zu überqueren hat.
Thomas Golser