Conte tritt zurück und kritisiert Salvini scharf
In seiner Rede vor dem Senat rechnet der Regierungschef hart mit dem Partner ab.
Nur ein paar Zentimeter trennten die Protagonisten im römischen Senat. Rechts Premier Giuseppe Conte, der am Ende seiner Erklärung seinen Rücktritt ankündigte und nach der Parlamentsaussprache Staatspräsident Sergio Mattarella aufsuchen wollte. Links von ihm Innenminister Matteo Salvini. Als die Legaabgeordneten den Minister gegen die Anschuldigungen des Premiers in Schutz nehmen wollten, wiegelte der Parteichef ab. Er bat um Stille und Respekt. Respektvolles Verhalten hatte Conte in den 14 gemeinsamen Monaten an der aus Fünf-sterne-bewegung und Lega gebildeten populistischen Regierung nach eigenen Angaben vermisst. Nun warf der Premier dem Koalitionspartner mangelnden Respekt für die Institutionen vor und kritisierte dessen Entscheidung, das Bündnis aufzukündigen. Conte warf Salvini „das Fehlen institutioneller Sensibilität und konstitutioneller Kultur“vor. Er bezeichnete es als problematisch, dass Salvini „die ganze Macht“gefordert habe und sich ständig auf Plätzen zeige, anstatt im Parlament Farbe zu bekennen.
„Die institutionellen Fragen klärt man nicht auf den Plätzen, sondern im Parlament“, sagte Conte und bekräftigte: „Die derzeitige Krise gefährdet unweigerlich die Arbeit der Regierung, die hiermit endet.“Insbesondere machte er Salvini für das gefährliche Timing der Krise verantwortlich. Italien drohe angesichts des im Herbst zu verabschiedenden Haushaltsgesetzes in eine „Phase der politischen Unsicherheit und finanziellen Schwäche“abzugleiten. In der Rede, in der Conte die Erfolge aufzählte, kritisierte er Salvini für das Verwenden religiöser Symbole bei Auftritten. Dieser hatte mehrfach christliche Symbole mit politischen Botschaften verknüpft, was Conte „religiöse Unbewusstheit“nannte. Salvini übertrete das Prinzip der Trennung von Staat und Kirche.
In Rom wird damit gerechnet, dass Mattarella umgehend mit Konsultationen der Parteien beginnt, um das Bestehen einer neuen Mehrheit auszuloten. Zuletzt hatte es Anzeichen dafür gegeben, dass die vom Satiriker Beppe Grillo gegründete Fünf-sterne-bewegung eine Allianz mit dem sozialdemokratischen „Partito Democratico“schließen könnte. Auf diese Weise könnten Neuwahlen verhindert werden.
In seiner Replik antwortete Salvini: „Ich würde alles wieder genauso machen, wie ich es getan habe.“Er sei ein freier Mensch und habe keine Angst vor dem Urteil der Bürger. Salvini forderte Neuwahlen noch im Oktober und kritisierte die EU. „Wir sind ein freies und souveränes Land und ich bin es leid, für alles auf die Zustimmung der Europäischen Union zu warten.“Seine Lega könnte laut Umfragen mit bis zu 38 Prozent der Stimmen rechnen. Zuletzt bot er dem bisherigen Partner eine erneute Zusammenarbeit an. „Wenn ihr die Zahl der Abgeordneten reduzieren wollt, wenn ihr ein mutiges Haushaltsgesetz verabschieden wollt, wenn ihr die begonnenen Reformen weiterführen wollt, sind wir dabei“, sagte Salvini.
Julius Müller-meiningen