Verantwortungslos
Italiens Parteien liefern taktische Manöver und teure Wahlversprechen. Es scheint ihnen egal zu sein, dass ihr Land dabei immer mehr ins Abseits gedrängt wird.
Wer dachte, die Standpauke von Ministerpräsident Giuseppe Conte im Senat für den neben ihm sitzenden und Gesichter schneidenden Matteo Salvini sei das Ende einer tragikomischen Koalition, hat sich getäuscht. Der parteilose Regierungschef legte seinem Innenminister eine lange Reihe von Vergehen zur Last, die auf mangelnden Respekt vor dem Staat und seinen Institutionen hinausliefen. Dass er selbst diese in den vergangenen 14 Monaten mittrug, ließ er geflissentlich aus. Conte schlug die Tür einer möglichen Aussöhnung zwischen Fünf-sterne-bewegung und Lega mit lautem Krachen zu. Allerdings offenbar nicht fest genug, um zu verhindern, dass zwei Tage später Luigi Di Maio als lächelnder Parteichef der Fünf-sterne-bewegung Verhandlungsbereitschaft auch mit Salvini verkündet.
Die vergangenen 14 Monate der Regierung aus rechtsnationaler Lega und populistischen Fünf Sternen gipfelten in der Forderung von Salvini nach der ganzen Macht. Gleichzeitig wurden Grundfesten wie die Zugehörigkeit zur EU und zur
Eurozone ausgehebelt. Das politische Klima erreichte einen nie da gewesenen Grad an Härte und Aggressivität.
Die von dem Bündnis veranlasste Abschottung gegenüber Migranten und die Verteilung des Reichtums durch das Bürgereinkommen stieß in der Bevölkerung zwar auf breite Zustimmung. Doch der Crash-test mit der wirtschafts- und außenpolitischen Realität droht katastrophal auszufallen. Innerhalb der EU isoliert, verfügt Italien kaum über Verhandlungsspielraum, um in Brüssel mehr Ausgaben im anstehenden Haushalt für 2020 durchzusetzen. Ohne drastische Schnitte im Budget droht eine bereits vereinbarte Erhöhung der Mehrwertsteuer, die das geringe Wachstum weiter hemmen würde. An den Finanzmärkten winkt bereits eine weitere Herabstufung der Kreditwürdigkeit am Horizont. Doch Lega und Fünf-sternePartei gebärden sich, als hätten sie den Ernst der Lage für ihr Land nicht erkannt. Teure Wahlversprechen und Kompromisslosigkeit lassen zwar die eigenen Werte in den Umfragen steigen, zum Wohl der Volkswirtschaft tragen sie dennoch nicht unbedingt bei. auptziel der Lega scheint es zu sein, Wahlen herbeizuführen. Die Fünfsterne-bewegung scheint ihrerseits zu allem bereit, um Neuwahlen zu verhindern, die sie verlieren würde. Dass Italien dabei immer mehr ins Abseits gerät, beeindruckt niemanden. Wie bei Krisen der Vergangenheit werden in dieser scheinbar aussichtslosen Lage Wirtschaftsexperten und Verfassungsrechtler für die Bildung einer Technokratenregierung ins Gespräch gebracht. Parteilose Ministerpräsidenten wie Mario Monti retteten Italien mit unpopulären Maßnahmen vor dem Abgrund, an den teure Wahlversprechen und mangelnde Reformen das Land immer wieder steuerten. Als verfüge Italien nicht über gewählte Volksvertreter, die politische Verantwortung übernehmen könnten.
H