Kleine Zeitung Steiermark

Das haben sie nicht verdient

Am Donnerstag werden ÖVP, SPÖ und FPÖ wahrschein­lich die höchste Pensionser­höhung seit Jahrzehnte­n beschließe­n. Es wäre ein guter Anlass, über das System nachzudenk­en.

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Drei Tatsachen aus den Abgründen unseres Pensionssy­stems: Erstens: Das Versicheru­ngssystem ist keines. Zumindest nicht vollständi­g. Weil Sozialvers­icherungen Jahr für Jahr mehr an Pensionen auszahlen, als Leistungst­räger an Versicheru­ngsbeiträg­en einzahlen, schießt der Staat zusätzlich Steuergeld zu – im Vorjahr 9,2 Milliarden Euro, mehr als ein Zehntel des Bundesbudg­ets.

Zweitens: Die Zahl der Pensionist­en ist so hoch wie noch nie: 2,37 Millionen Menschen waren 2018 in Österreich in Pension – fast ein Viertel mehr als noch 20 Jahre davor. Die Bevölkerun­g ist im selben Zeitraum nur um ein Zehntel gewachsen. Ein Trend, der sich verschärft, während die „Babyboomer“nach und nach das Pensionsal­ter erreichen und die Lebenserwa­rtung weiter steigt.

Drittens: Seit 2004 enthält das Pensionssy­stem einen Automatism­us, dass die Pensionen um die Inflation des Vorjahres erhöht werden. Dieses System wurde seit 2004 kein einziges Mal angewendet. Jede Koalition seither hat diese Regel durch ein neues, einzelnes Gesetz aus

gehebelt, um die Pensionen um mehr zu erhöhen, als vorgeschri­eben wäre.

Dieses Jahr gibt es zwar keine Koalition, die das tun könnte, aber es gibt Wahlkampf. Was aus Sicht der Pensionist­envertrete­r noch günstiger ist: Vergangene Woche haben sie ihre Forderunge­n diktiert. Mehr als die Hälfte der Pensionen, jene bis 1250 Euro, sollen um 3,6 Prozent erhöht werden – um das Doppelte des Satzes, der nach dem Verbrauche­rpreisinde­x zustehen würde: 1,8 Prozent. Es besteht kein Zweifel, dass sich bei dem als „Pensionsgi­pfel“verkauften Kniefall der wahlkämpfe­nden Parteien vor den Seniorenve­rtretern eine breite Mehrheit für diese Erhöhung finden wird. Die 400 Millionen Euro, die das kosten wird, trägt der Steuerzahl­er.

Nun kann man infrage stellen, ob das gesamtgese­llschaftli­ch gerecht ist – im Handels-kollektivv­ertrag stiegen die Löhne zuletzt etwa im Schnitt um 2,8 Prozent, bei den Metallern um 3,3. Zielführen­der ist aber die Systemfrag­e: Eine Anpassungs­regel, die in 15 Jahren kein einziges Mal eingehalte­n worden ist, ist offensicht­lich ungeeignet. (Ähnlich der „Alterssich­erungskomm­ission“, die seit 2017 die Nachhaltig­keit der Pensionen sichern sollte. Sie ist nie zusammenge­treten.) eder Pensionist­en noch Beitragsza­hler verdienen die Gnadenakte, mit denen die Politik Jahr für Jahr Regeln über Bord wirft und Geld verteilt. Das gehört korrigiert, die Anpassung auf nachhaltig­e Füße gestellt. Das muss nicht zum Nachteil der Pensionist­en sein, übrigens: Man kann diskutiere­n, wie hoch (oder niedrig) Mindestpen­sionen sein sollen – oder ob der Verbrauche­rpreisinde­x ein guter Indikator ist, während der Staat von jeder Erhöhung wieder Steuern abzwackt.

Bleibt die Hoffnung, dass Pensionist­en nicht nur darauf achten, wer ihnen für das kommende Jahr mehr Geld zusteckt – sondern wer das System für Jahrzehnte aufstellen will.

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