Kleine Zeitung Steiermark

Zur Person

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1994 gründete Martin Liebmann (1966 geboren) das deutsche Institut für Markenführ­ung (IFM) in Lübeck. Seit 2004 ist der „Markenphil­osoph“im „Verein zur Verzögerun­g der Zeit“aktiv, seit fünf Jahren ist er der Obmann des in Klagenfurt beheimatet­en Vereins. Sein Buch „Faul zu sein ist harte Arbeit – eine Ode an den Müßiggang“(200 Seiten, 18 Euro) erscheint am 9. September im Komplettme­dia-verlag. Liebmann selbst frönt dem Müßiggang am liebsten beim Aufs-meerschaue­n auf Sardinien. würde den Körper auslaugen. Wenn wir mental unseren Körper in Dauerbesch­leunigung halten, nimmt uns das unseren Geist, unsere Muße, unsere Freiheit.

Reicht es, wenn jeder für sich der Beschleuni­gungsfalle entkommen will?

Die individuel­le Perspektiv­e reicht nicht aus. Nötig ist ein Prozess kollektive­r Selbstbest­immung. Wir brauchen Diskurse darüber, wo Tempo gut ist, etwa bei Rettung und Feuerwehr. Und wo wir es in der Wirtschaft schnell haben wollen. Aber auch: In welchen Bereichen zerstört Tempo gutes Leben? Unter dem Strich ist die Klimakrise durch ein Zeitphä

nomen begründet, nämlich dass wir so schnell Ressourcen verbrauche­n, dass die Natur nicht mehr nachkommt. Da gehört der gesellscha­ftliche Diskurs hin: Wie kriegen wir die Geschwindi­gkeit raus?

Ich habe von Ihnen gelesen, Stress mache süchtig. Wieso?

Positiver Stress wirkt durch das Gefühl der Selbstwirk­samkeit wie eine Droge. Wenn ich viel erreiche, kann das abhängig machen. Ich suche die Bestätigun­g durch Anerkennun­g des Erfolgs von außen. Damit nehme ich mir aber meine Innenpersp­ektive: Brauche ich Anerkennun­g von außen, um glücklich sein zu können, oder finde ich ein bisschen Glück auch in mir selbst?

Der Verein zur Verzögerun­g der Zeit, dem Sie vorstehen, war einmal exotisch. Ist der Wunsch nach Zeitverzög­erung nicht bereits Mainstream?

Wir stellen uns auch dieses Jahr wieder die Frage, ob wir schon überflüssi­g sind. Ich denke das nicht: Der Mainstream ist heute noch immer die Quantität, alles muss messbar sein. Die Qualität ist aber wichtiger als mehr Effizienz. Wenn man ohne Richtung ganz viel Kraft verwendet, dann rotiert man und versinkt im Loch wie ein Erdmännche­n. Das ist wie im Slapstick.

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WEICHSELBR­AUN Martin Liebmann: „Niemand macht einen Marathon im Sprinttemp­o. Dauerbesch­leunigung nimmt uns Freiheit“
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