Johnson hängt in einer Sackgasse gefangen
Mit derart viel Widerstand in der eigenen Partei hat der neue Premier nicht gerechnet. Nun ist er ausgerechnet auf die Opposition angewiesen. Die kennt seine Tricks.
Es läuft nicht ganz so, wie es sich Boris Johnson vorgestellt hatte zu Beginn dieses Sommers. Statt sich einschüchtern zu lassen, bieten ihm moderate Politiker aus dem konservativen Lager in Sachen Brexit so unerschrocken wie erfolgreich die Stirn. Nicht einmal die Bereitschaft des Premiers, seine Kritiker schlichtweg aus der Partei zu werfen, hat diese abschrecken können. Seine Entscheidung, den harten Mann zu markieren, hat den britischen Regierungschef nun endgültig seine Unterhaus-mehrheit gekostet. Zugleich erwägt die Labour-opposition, Johnson vorübergehend den Weg zu Neuwahlen zu verstellen. Damit hatte der Premier nicht gerechnet. Mit einem Mal nimmt er sich, nimmt sich seine Strategie äußerst verwundbar aus.
Am Mittwoch konnten viele Tories noch immer nicht glauben, dass Johnson 21 rebellischen Unterhaus-abgeordneten nachts zuvor tatsächlich die Tür gewiesen hatte. Einer der Rebellen, der frühere Entwicklungshilfeminister Rory Stewart, berichtete fast schon belustigt, man habe ihn über seinen Hinauswurf per SMS informiert. „Es war ein echt erstaunlicher Moment“, sagte Stewart, der vor Kurzem noch gegen Johnson für den Parteivorsitz kandidiert hatte. „Es kam einem
ein bisschen vor wie etwas, was man eher mit anderen Ländern in Verbindung bringt. Man nimmt Stellung gegen die Führung, verliert im Führungsstreit, ist plötzlich nicht länger im Kabinett und dann auch gleich aus der Partei geflogen. Und hernach wird man seinen Parlamentssitz los.“
Dass zu den geschassten Tories hoch angesehene Ex-minister und konservative Veteranen gehörten, wie die ehemaligen Finanzminister Kenneth Clarke und Philip Hammond oder der Churchill-enkel Sir Nicholas Soames, verstärkte das spürbare Unbehagen auch bei ansonsten zurückhaltenden Konservativen. „Was ist nur aus unserer Partei geworden?“, fragten ratlos Politiker wie der Ex-verteidigungsstaatssekretär Tobias Ellwood. „Wir waren einmal eine Partei der rechten Mitte, eine Partei der Einheit, eine offene Partei.“Immerhin hätten jede Menge Tories gegen Theresa Mays Regierung rebelliert, ohne je mit Parteiausschluss bestraft zu werden. Einer jener Rebellen war Johnson selbst. uch die langjährige schottische Tory-chefin Ruth Davidson konnte kaum glauben, was sich hier tat: „Im Namen all dessen, was uns lieb und heilig sein sollte – wie kann es sein, dass in der Konservativen Partei kein Platz für Ni
Acholas Soames mehr ist?“Es sei höchste Zeit, dass Johnson statt bewährter konservativer Kämpen seinen umstrittenen Berater Dominic Cummings – „diese Dreckschleuder“– feuere, befand der Abgeordnete Roger Gale, nicht einmal einer der Rebellen. Die von Cummings entwickelte Strategie laufe „Gefahr, noch die ganze Partei in Stücke zu reißen“, warnte Gale. Pro-europäer Clarke, als dienstältester Unterhaus-abgeordneter der „Vater des Hauses“, klagte, seine bisherige Partei sei mittlerweile „kaum mehr wiederzuerkennen“. Sie finde sich im Griff einer „bizarren Rundum-zerstörungs-philosophie“, die auf Johnsons Konto gehe, und fungiere nun offenbar, mit frisch aufgeklebtem Etikett, als neue „Brexit-partei“.
Dagegen, dass Johnson die Nation Ende Oktober mit Gewalt in einen chaotischen Brexit steuern könnte, wollen sich jedenfalls die rebellischen Tories ebenso wie die gesamte Opposition weiter entschlossen wehren. Nachdem die Gegner eines No-deal-brexit Dienstagnacht beschlossen hatten, der Exekutive tags darauf die Gesetzgebungsinitiative aus der Hand zu nehmen, stand der Mittwoch im Zeichen einer Eil-verabschiedung für ein entsprechendes Verzögerungsgesetz. Zornig wehrte sich Johnson in seiner
ersten parlamentarischen Fragestunde als Premier gegen dieses Gesetz, das er mehrfach als „Kapitulationsgesetz“bezeichnete. Das Gesetz sieht vor, dass Johnson bei der EU einen neuen, mindestens dreimonatigen Brexit-aufschub beantragt, so bis zum Eu-gipfel am 17. Oktober keine Einigung über einen neuen Austrittsvertrag zustande kommt. n allen drei Lesungen im Unterhaus stimmte eine Mehrheit für diese Vorlage. Nur damit verfehlte Johnsons Appell erneut seine Wirkung. Wer diese „schändliche“Initiative unterstütze, nur um einen dritten Brexit-aufschub zu erzwingen, hatte der Premier erklärt, der untergrabe die starke Position Londons und ziehe bei den Verhandlungen mit Brüssel „die weiße Fahne“hoch.
Von was für Verhandlungen Johnson denn eigentlich spreche, wollte Oppositionschef Jeremy Corbyn wissen. Wirkliche
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