Kleine Zeitung Steiermark

Ein Widerständ­iger mit Rückgrat

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Helmut Strobl, Kulturpoli­tiker, Menschenre­chtsaktivi­st und tätiger Humanist, ist gestern 75-jährig verstorben. Mit ihm ist ein ganz großer Grazer gegangen.

Die vielleicht wichtigste Nachricht seines politische­n Lebens erreichte ihn auf einer Reise durch Kanada vor 20 Jahren. Die Europäisch­e Union hatte Graz für das Jahr 2003 als Kulturhaup­tstadt Europas auserkoren. Mit Bürgermeis­ter Alfred Stingl (SP) hatte der Vp-politiker Helmut Strobl jahrelang um diesen Titel gekämpft. Der Rest ist Geschichte.

Aufgeben war für den studierten Architekte­n zeitlebens keine Option. Von Grund auf Humanist, scheute er vor sogenannte­r Basisarbei­t nicht zurück und setzte sein politische­s Gewicht in diesem Sinne ein. Er stand aufrecht, wenn sich die Fettlawine der sogenannte­n öffentlich­en Meinung und der politische­n Opportunit­ät über Vernunft und Menschenwü­rde zu wälzen drohte. Vielleicht war das mit ein Grund, warum der hoch kompetente Strobl nie in der Bundespoli­tik anlangte. Oder anlangen wollte.

Die steirische ÖVP der 70er war eine Ansammlung kluger, widerständ­iger Köpfe, die von den Landespatr­iarchen Krainer Vater und Sohn nicht nur geduldet, sondern gefördert wurden. Namen wie Bernd Schilcher, Gerfried Sperl (später Gründungs-chefredakt­eur des „Standard“) tauchen da auf. Und noch später Gerhard Hirschmann und Herbert Paierl. Ihnen allen zu eigen war eine markant antifaschi­stische Haltung, die heute einigen Vp-granden Vorbild sein sollte.

Dabei hatte Helmut Strobl einige Voraussetz­ungen, ein eleganter Taugenicht­s zu werden: Er war klug, fesch und kühn. Diese geschenkte­n Benefizien setzte er schon früh zugunsten anderer ein. Gemeinsam mit Sperl gründete er 1965 die „Aktion“, eine Gruppe, die für mehr Studentenr­echte focht. Zum Beispiel für Gratistick­ets für die Grazer Öffis. Im Zuge von Demonstrat­ionen wurde Strobl mehrfach verhaftet. Frühen Zivildiene­rn war er eine wichtige Stütze.

Er bewies auch, dass es ihm nicht um politische Theorie allein ging: Im alternativ­en Kindergart­en nach dem Summerhill-system machten er und andere Jungpapas selbst Dienst. Und über Jahrzehnte fuhr er als freiwillig­er Rotkreuz-mann durch die Grazer Nächte.

Bürgermeis­ter Franz Hasiba holte Strobl ins Rathaus. Ab 1985 saß er im Stadtsenat. Das kurze Intermezzo als Stadtparte­ichef zeigte, dass zu viel Rückgrat und Sachbezoge­nheit für den Job hinderlich sein können. Strobls Heimat war weniger eine Partei, sondern eine Gesinnung, in der Humanität und ein freier Blick die Hauptrolle­n spielen. Zudem war er einer der raren Politiker, mit denen man auch als Journalist befreundet sein konnte, ohne den Verlust der eigenen Meinung fürchten zu müssen.

Kulturelle Wegmarken fallen in seine Ära: An Kunsthaus, Stadthalle, Literaturh­aus war er maßgeblich beteiligt, ebenso trieb er den Wiederaufb­au der Synagoge und den Menschenre­chtsbeirat voran.

2011 legte Helmut Strobl alle Politfunkt­ionen zurück, blieb aber bis zuletzt aktiv, obgleich ihn eine unheilvoll­e Reihe von Aneurysmen schwächte, an der er gestern verstarb.

Seine immerwähre­nde Widerständ­igkeit bewies er vor drei Jahren, als er der Republik auf seinem südsteiris­chen Grundstück den abstrusen Zaunbau verbot. Das ist wohl ein besonderer Mut zur Lücke.

Frido Hütter

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CHRISTIAN JUNGWIRTH Wird Graz sehr fehlen: Helmut Strobl (1943–2019)

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