Zur Person
Johnson oder Donald Trump nehmen für sich in Anspruch, das Recht sei auf ihrer Seite, und lehnen eine kritische Auseinandersetzung mit anderen Meinungen ab. Ich enthalte mich einer dezidierten Haltung zum tagespolitischen Geschehen. Ich denke, dass Theater anders funktioniert.
Können Sie uns das näher erklären?
Dass es in einem größeren Raum wahrgenommen wird und eine Wirkung hat, die über längere Zeit funktioniert. Dennoch wird man klar sehen, was wir von der aktuellen politischen Situation halten: sehr wenig. Und dass wir Handlungsbedarf sehen, diese Bewegung aufzuhalten, die in großen Wellen auf uns zuschwappt.
Wie legen Sie die Figur des Pentheus, Gegenspieler von Dionysos, an?
Dieser erscheint bei Euripides als Diktator, der keine Toleranz gegenüber der Bewegung der Bakchen hat. Er versucht das mit Staats-, Polizei- und Waffengewalt einzudämmen und droht, Dionysos zu enthaupten. Wir haben der Figur Texte aus dem Diskurs der Genese der athenischen Demokratie gegeben. Pentheus erscheint so als jemand, der sich bewusst ist, was die Gesellschaft ausmacht, welche zivilisatorischen Errungenschaften sie besitzt und welche Werte es zu verteidigen gilt. Er sieht die Welt aus der Perspektive der Rationalität; vielleicht unterschätzt er dabei die Kraft zutiefst menschlicher Gefühle. Ulrich Rasche wurde 1969 in Bochum geboren. Er studierte Kunstgeschichte und lebt als Regisseur und Bühnenbildner in Berlin und Wien.
Die Bakchen. Von Euripides. Premiere: 12. September, 19 Uhr, Burgtheater Wien.
Termine: 13., 16., 19., 22. Sept., 2., 5., 6., 9. Okt. www.burgtheater.at
Der „Spiegel“hat Sie einmal als „Chef-maschinist“bezeichnet. Was steht am Anfang einer Inszenierung – das Bühnenbild?
Zuallererst steht die Entscheidung für ein Stück und ein Thema. Dann erst kommt der Raum und die Entwicklung der Bühne, das Modell. Das ist ein fortlaufender Prozess, dazu gesellen sich dann die anderen Ebenen: Musik, Sprache, die Schauspielerinnen und Schauspieler.
Welche Maschine haben Sie ins Burgtheater gebaut?
Eine sehr große, technisch aufwendige, multifunktionale Maschine, die allen Bedürfnissen und Fantasien gerecht wird, die ich zu Euripides entwickelt habe. Die technische Leitung des Theaters und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind wirklich großartig. Es gibt drei Laufbänder, die in verschiedenste Richtungen bewegt werden. Sie sind dabei ein technisches Hilfsmittel, um den Chor und die Schauspielerinnen und Schauspieler in den Bewegungsmoment zu bringen.
Wird es auch einmal Inszenierungen von Ihnen ohne Maschinen geben? Ihre Art, Theater zu machen, schließt auch viele Stücke oder Stoffe aus.
Ich kann mich nicht mit einer bestimmten Psychologie einer Figur identifizieren. So gerne ich eine Tschechow-inszenierung sehe, das ist nichts, das meiner Natur entspricht und ich im Theater zeigen möchte. Ich bin ein sehr politisch denkender Mensch, der Partei ergreift und Zuschauer in der Auseinandersetzung und Zuspitzung von Themen fordert.
Was schätzen Sie denn an Martin Kusej?
Wir haben eine langjährige, gute und konstruktive Arbeitsbeziehung. Ich schätze an ihm den Mut und danke ihm für die Bereitschaft, solche Inszenierungen, die einiges verlangen, zu produzieren. Es freut mich, dass er mich gefragt hat, das Burgtheater unter seiner Direktion zu eröffnen: von Direktor zu Regisseur, aber auch von Regisseur zu Regisseur.