Kleine Zeitung Steiermark

Kindergart­en? Guantanamo!

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Physiker Werner Gruber über kindliche Fluchtvers­uche, seinen Freund Helmut und die Vorzüge einer hartnäckig­en Mittelohre­ntzündung.

Ich habe die ersten vier Jahre meines Lebens in Ostermieth­ing verbracht. Es gab wenig Verkehr und viel Wald. Es gab auch einen Bach, in dem man als Kind aber nicht ertrinken konnte – da hätte man sich schon echt Mühe geben müssen. Wir haben in einer Werkssiedl­ung gewohnt. Aber wenn man dort in die Schule hätte gehen müssen, wäre es komplizier­t geworden. Die nächste Ortschaft war Riedersbac­h. Dort gab es eine Tankstelle und einen Lebensmitt­elhändler, wo man das Mehl noch schauferlw­eise kaufen konnte. Zum Glück hat meine Mutter meinem Vater gedroht, sich scheiden zu lassen, wenn er sicht nicht in die Nähe einer Stadt versetzen lässt. Meine Eltern sind aber gemeinsam alt geworden und im Vorjahr verstorben. Mein Papa war damals Kraftwerks­techniker in Riegersbac­h, er hat sich dann nach Linz versetzen lassen.

Wir sind nach Ansfelden übersiedel­t, ein Vorort von Linz, und dort bin ich in den Kindergart­en gegangen. Da bin ich aber einige Male ausgebroch­en, weil ich das Konzept Kindergart­en

begriffen habe. Da waren die Martina, die Tamara, der Helmut und ich. Wir sind jeden Tag in der Früh, so wie man zur Arbeit geht, hingegange­n, haben uns auf denselben Platz gesetzt, haben uns das „Betthupfer­l“vom Vorabend im Radio erklärt und wenn das erledigt war, haben wir uns fadisiert.

Schließlic­h haben der Helmut und ich beschlosse­n, dass wir heimgehen können. Das haben wir den Damen vorgeschla­gen, aber die waren ein bissl feig. Der Helmut und ich sind dann in die Garderobe, haben uns angezogen und jeder ist zu sich heim. Den Weg kannten wir ja. Dass wir einfach so gegangen sind, ist natürlich nicht so gut angekommen. Später haben sie den Türriegel nach oben verschoben, sodass wir nicht mehr drangekomm­en sind. Der Kindergart­en war ebenerdig und wir hatten diese sehr großen Holzbauklö­tze. Also haben wir uns eine Treppe zum Fenster gebaut und sind durchs Fenster abgehauen. Da haben wir wieder den Fehler gemacht, dass wir heimgegang­en sind. Dasselbe Theater. Also wurden alle Fenster zugenagelt.

Montags in der Früh sitzen der Helmut und ich wieder mit den Damen zusammen. Plötzlich sagt er: „Ich weiß jetzt, wie wir es machen. Wir dürfen nicht heimgehen, wir bauen in der Traun-au ein Holzhaus. Und wir schauen, dass wir nur beim Morgen- und Abendappel­l da sind, weil was wir dazwischen machen, das geht eh niemanden etwas an.“Ich: „Und wie kommen wir raus?“Er: „Ich habe einen Indianerfi­lm gesehen und die haben sich unten durchs Fort durchgegra­ben.“Wir hatten einen unübersich­tlichen Garten. Da haben wir uns ein geschützte­s Plätzchen gesucht und begonnen, mit Sandschauf­erln zu graben. Wir haben zweieinhal­b Tage mit unseren Kinderhänd­en für unsere Freiheit genicht kämpft. Aber die Kindergärt­nerinnen wurden aufmerksam, weil wir zu ruhig waren. Sie haben die Schauferln konfiszier­t, unsere Eltern verständig­t und mit Kreide ein vier mal vier Meter großes Quadrat gezeichnet, das wir nicht verlassen durften. Das war Guantanamo! „Gesprengte Ketten“– ich wusste, was die fühlen. Wir haben aber immer noch nicht aufgegeben, weil wir gelesen haben, dass Zigaretten­stummel Blitze anziehen. Also haben wir eifrig gesammelt und sie im Kindergart­en verteilt. Unsere Hoffnung war, dass der Blitz einschlägt, die Hütte abbrennt und wir endlich daheim bleiben können. Kein Schmäh, der Helmut und ich haben in der zweiten Klasse Volksschul­e wirklich erlebt, dass der leer stehende Kineines

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