Ein Land in Geiselhaft
Und Westminster trägt Mitschuld daran.
Nun ist es also tatsächlich geschehen. Premierminister Boris Johnson hat das britische Parlament in Zwangspause geschickt.
Der neue Hausherr in der Downing Street will mit der Brechstange einen raschen Brexit erzwingen. Aber die widerspenstigen Volksvertreter spuren nicht. Also werden sie in einem Schlüsselmoment für das Vereinigte Königreich einfach suspendiert.
Geht Johnson noch weiter und wagt gegen den Willen des Parlaments einen Nodeal-brexit? Wohl kaum. Der Mann ist nicht so irr, wie es viele Medien suggerieren. Sein Ziel ist der Machterhalt. Dafür treibt er munter die Eskalationsspirale an. Das Kalkül scheint aufzugehen. Die Tories sind wieder im Aufwind. Die kalte Verachtung, die Johnson dem Parlament entgegenbringt, ist für viele Briten offenbar ein geringeres Übel, als es ein Brexitschrecken ohne Ende wäre.
Das haben Johnsons Gegner auch sich selbst zuzuschreiben. Sie hätten es in der Hand gehabt, dem Land einen geordneten, würdevollen Abschied aus der EU zu ermöglichen. Dreimal legte Theresa May dem Parlament ihr mit Brüssel ausgehandeltes Austrittsabkommen vor. Dreimal holte sie sich eine Abfuhr, weil die Abgeordneten mehr von Ränken geleitet waren als von Staatsräson. rst die Demontage der tapferen, aber glücklosen May durch das Parlament ebnete den Weg für das Grüppchen von politischen Hasardeuren und exzentrischen Fanatikern, das Großbritannien nun in Geiselhaft hält. Stefan Winkler
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