Licht aus in Westminster
Boris Johnson schickt Parlament auf Zwangsurlaub. Davor holt sich der Premier mit seiner Forderung nach zügigen Neuwahlen erneut Abfuhr. Parlamentspräsident und Erzfeind John Bercow tritt zurück.
Im Palast von Westminster sind für die Dauer von fünf Wochen die Lichter ausgegangen. Gestern Nacht begann auf Geheiß von Boris Johnson die Zwangspause fürs britische Parlament, die der Premier von der Monarchin erwirkt hat.
Mit dieser Vertagung des Parlaments – gegen dessen Willen – werden alle Zusammenkünfte bis Mitte Oktober ausgesetzt. Mitten in der schwersten Krise der neueren britischen Geschichte liegt der Parlamentsbetrieb lahm und lässt keine Beschlussfassung, keine Verabschiedung von Gesetzen, auch keinen Misstrauensantrag gegen die Regierung mehr zu.
Bis zum 14. Oktober, dem Tag der nächsten Regierungserklä
rung, können Großbritanniens Abgeordnete keine Rechenschaft von der Regierung mehr fordern. Ausschüsse können nicht tagen, Parlamentarier „im Haus“keine Regierungsaktion beanstanden. Die Fragestunde des Premiers am Mittwoch fällt ebenso aus wie die für den gleichen Tag geplante Befragung Johnsons durch die Ausschussvorsitzenden im Unterhaus.
Jeremy Corbyn, Oppositionschef und Vorsitzender der Labour Party, nannte die Schließung „schändlich“. Gestern kurz vor der Vertagung forderte der Regierungschef das Unterhaus noch einmal auf, ihm Neuwahlen für den 15. Oktober zu bewilligen. Opposition und Tory-rebellen verständigten sich aber darauf, dass Wahlen nicht vor November stattfinden sollen.
Damit wollen Johnsons Gegner sicherstellen, dass es nicht doch noch irgendwie zu einem No-deal-brexit am 31. Oktober kommt. Ein vorige Woche im Eilverfahren erlassenes Gesetz, das den Premier zu einem Aufschubgesuch bei der EU verpflichtet, falls auch beim Oktober-gipfel der EU kein Brexitdeal zustande kommt, trat gestern gerade noch rechtzeitig vor der Parlamentspause in Kraft.
Doch Johnson hofft, das Gesetz, das ihn zur Vereinbarung eines dreimonatigen Brexitaufschubs mit der EU zwingen soll, zu umgehen. Als er zur Verhinderung des Gesetzes 21 rebellische Tory-abgeordnete aus der Partei werfen ließ, löste das schwere Unruhen in der eigenen Partei aus. Aus Protest gegen die „Säuberungsmaßnahme“trat am Wochenende Ministerin Amber Rudd aus Regierung und Partei aus, nachdem dies zuvor schon Boris Johnsons Bruder Jo getan hatte.
Wohl um weitere Rücktritte zu verhindern, beteuerte der Premier bei einem Blitzbesuch in Dublin am Montag, wie sehr ihm an einer Lösung gelegen sei und dass er „jede Menge Vorschläge“habe, wie der „Backstop“im Austrittsvertrag, also die Garantie einer offenen Grenze in Irland, durch andere Maßnahmen zu ersetzen sei. Zugleich erklärte er, dass sein