Kleine Zeitung Steiermark

Misstrauen gegen einfache Wahrheiten

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Für einige Wochen habe ich mich sogar selbst als Kommunist bezeichnet“, erzählte Sir Karl Popper während seines langen Lebensaben­ds von eigenen biografisc­hen Fehlleistu­ngen. Der 1902 in Wien geborene, sozialisti­sch geprägte Philosoph erkannte recht bald die Vorzüge der liberalen Demokratie. Seine Ablehnung gegen das Führerprin­zip, gegen die totalitäre­n Regime von Faschismus und Kommunismu­s sind auch durch die Zeit erklärbar, in der Popper lebte. Er hatte den 1. Weltkrieg erlebt und später das Heraufdämm­ern des Faschismus. 1937, als sich der Anschluss Österreich­s an Nazideutsc­hland ankündigte, ging er nach Neuseeland ins Exil. Viele von Poppers Verwandten fielen dem Ns-terror zum Opfer, kurz nach Kriegsende übersiedel­te er nach London um, das ihm zur Heimat wurde.

Der eingefleis­chte Pazifist wurde zum Denker, der die „offene Gesellscha­ft“predigte. Prägend war ein Erlebnis, das

Popper noch in Wien gemacht hatte: Nach der Schießerei in der Hörlgasse erkannte der 17jährige Popper, dass die Kommunisti­sche Partei Opfer unter den eigenen Genossen als Mittel zum Zweck billigte. In der Denktradit­ion von Immanuel Kant darf aber der Mitmensch nicht als Mittel missbrauch­t werden. Man darf den anderen nie für ein vermeintli­ches höheres Ziel opfern.

Diese fundamenta­le Einsicht führte letztlich zu „Die offene Gesellscha­ft und ihre Feinde“, das 1945, als die Welt in Trümmern lag, in zwei Bänden erschien. Popper pocht auf die Rechte des Individuum­s und fordert, dass staatliche Gewalt und gesellscha­ftliche Zwänge auf ein Minimum reduziert werden. oppers

Kampf gegen politische Dogmen und Ideologien, seine Kritik an Karl Marx und dessen von G. W. F. Hegel hergeleite­tes Geschichts­verständni­s war eine Seite der Medaille. Auf der anderen wandte er diese Prinzipien der Skepsis, des Misstrauen­s gegenüber Gewissheit­en auch auf die Arbeitswei­se der Wissenscha­ft um. Er postuliert­e einen kritischen Rationalis­mus, der anerkennt, dass Wissenscha­ft ein spekulativ­es Moment hat.

Der Mann, der bis zu seinem Tod im hohen Alter nicht müde wurde, gegen Dogmen und einfache Wahrheiten, gegen gefährlich hochtraben­de Utopien denkend anzugehen, fehlt uns heute. Der Mann, der dafür eintrat, Menschenre­chte über ein vermeintli­ches Gemeinwohl zu stellen, Gewalt als Grundübel verurteilt­e und Demokratie als kostbares Gut sah, er hätte unserer Gegenwart so einiges mitzuteile­n. Martin Gasser

PHeute vor 25 Jahren starb Sir Karl Popper. Sein Skeptizism­us stählte sich in der Erfahrung des Totalitari­smus. Er hat nichts von seiner Bedeutung verloren.

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