Kleine Zeitung Steiermark

Der Messdiener der Gipfelstür­merkirche

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Nie ist „Ich liebe dich“so wahr, wie wenn man fortfährt. Und Reinhold Messner ist in seinen 75 Jahren oft fortgefahr­en. Der Südtiroler hat sich nicht mit gemütliche­n Wanderunge­n entlang milchiger Gebirgsflü­sse begnügt, sich nicht mit der Besteigung des Ortlers und Großvenedi­gers zufriedeng­egeben, sondern gleich alle Achttausen­der im Alleingang bezwungen – nachdem er 1978 mit Peter Habeler den Mount Everest erstmals ohne Sauerstoff­flasche bewältigt hat. Reinhold Messner hat so ziemlich alles bestiegen und durchquert, was in der Landschaft steht und bei drei nicht auf den Bäumen war. Gefühlt hat dieser Mensch gewordene Achttausen­der nicht nur Grönland, die Antarktis wie die Wüste Gobi durchquert und den Yeti geschlacht­et, sondern auch den Dalai Lama befreit, Ötzi gefunden und die Welt vom Kommunismu­s erlöst. einhold Messner ist ein Phänomen, viel mehr als ein postmodern­er Luis Trenker, er hat das Bergsteige­n revolution­iert, populär gemacht und kommerzial­isiert – mit allen negativen Folgen für die Berge, wofür er nur bedingt etwas kann. Man weiß nicht recht, ob dieser Bergeflüst­erer die Einsamkeit der Gletscher gesucht hat, um zu sich selbst zu finden, oder die Gebirge von ihm als Sportgerät missbrauch­t worden sind. Was in einem Menschen vorgeht, wenn er derartige Grenzen überwindet, werden die wenigsten nachvollzi­ehen können. Jedenfalls hatte dieser Messdiener der Gipfelstür­merkirche ein schier

Reinhold Messner, geboren am 17. September 1944, ist ein Phänomen. Er hat das Bergsteige­n revolution­iert und ist dafür mit Weitblick belohnt worden. Schriftste­ller

Runglaubli­ches Bergsteige­rtalent, und auch für die profanen Niederunge­n fand er in Sachen Selbstverm­arktung eine gute Route. Überall hat er seine Biwaks aufgestell­t. Da gibt es eine Burg, in der er selbst yetisch herumspukt, ein Museum, ein Yak-restaurant, Managersem­inare, Bücher, Filme, Stiftungen. Messner gehörte nie zur Spezies der aalglatten Anzugträge­r, hat immer angeeckt oder sich mit unbändigem Haarwuchs in seinen Themen festgehakt. Politisch hat er Flaggen für die Natur gehisst und die bis dahin von Gebirgskri­egen geprägten Bergsteige­r wurden von ihm aus der Seilschaft der Nationaltü­melei befreit. Wie kaum ein anderer hat er das „Aufi muass i“des Watzmann-rusticals gelebt und ist mit Weitblicke­n belohnt worden, von denen wir tälernen Troglodyte­n nur träumen dürfen. wei-, dreimal wäre aber auch er fast abgestürzt. Da war der umstritten­e Tod seines Bruders Günther am Nanga Parbat 1970, der ihn fast aus dem Tritt gebracht hätte, auch die Yeti-sichtung vor über zwanzig Jahren, als er aussah wie Heidi Klum mit Bart, war ein medialer Grenzgang, und dass ihm die aktuelle private Trennung die Luft verdünnt, darf angenommen werden. Doch Reinhold Messner ist unverwüstl­ich, selbst mit 75 noch sein eigener Berg, der allen Respekt verdient. Er ist der Kaiser der Bergsteige­r, dessen Bart alle anderen überwucher­t. Nur was die Berge von ihm halten, ob sie ihn mehr lieben, wenn er kommt oder fortgeht, ist nicht bekannt.

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STEFAN WINKLER Reinhold Messner, der Herr der Achttausen­der

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