Aufklärung zum Sankt-nimmerleins-tag?
Mehr als 100 Tage sind seit dem Schock verstrichen, den das Ibiza-video ausgelöst hat. Die Koalition zerbrach, die Regierung wurde gestürzt, ein Dauerwahlkampf schleppt sich dem Ende zu.
Und doch sind zu viele Fragen unbeantwortet. Auch wenn sich Heinz-christian Strache durch seine Ansagen, die er in der Finca auf der Ferieninsel von sich gegeben hat, als Politiker lebenslänglich disqualifiziert hat, ist noch ungeklärt, ob der ehemalige Vizekanzler auch etwas getan hat, was strafrechtlich zu ahnden wäre.
Nach dem Auftauchen des Videos wurde rasche und lückenlose Aufklärung versprochen. Der Innenminister musste gehen, weil ihm der Bundeskanzler misstraute. Sonderkommissionen wurden installiert und Staatsanwälte alarmiert.
Deren Erkenntnisse schlummern in sogenannten Verschlussakten. Sie gelten als streng geheim, sind aber nicht so fest verschlossen, dass nicht ab und zu etwas durchsickert. So fand die umfangreiche Anordnung einer Hausdurchsuchung prompt den Weg in die Öffentlichkeit. Durch parlamentarische Anfragen wurde nach und nach bekannt, welchen Umfang die Ermittlungen erreicht haben: Rund 20 Vorwürfen gehen die Staatsanwälte nach.
Ein Monsterprogramm. Immerhin gibt es schon Marscherleichterung: Der Korruptionsvorwurf wurde fallen gelassen, weil Strache, als er auf Ibiza über Staatsaufträge für die ominöse Oligarchennichte schwadronierte, noch kein Amtsträger war. Dass es ein Vierteljahr dauerte, ehe die Einsicht reifte, dass gar kein strafbares Delikt vorliegt, lässt ahnen, warum unsere Justiz so überlastet ist …
Der lange Rest der Speisekarte ist erst abzuarbeiten. Etwa der schwerwiegende Verdacht der Untreue. Näheres ist nicht bekannt, obwohl es doch möglich sein müsste, die Gebarung von drei bis vier Vereinen in drei bis vier Monaten zu überprüfen. Und wann wird geklärt, wer die Drahtzieher und Hintermänner des Ibiza-videos waren? Müssen wir bis zum Sankt-nimmerleinstag warten?
Bis dahin gilt wie immer die Unschuldsvermutung.
Erwin Zankel war Chefredakteur der Kleinen Zeitung
„Es ist noch ungeklärt, ob der ehemalige Vizekanzler auch etwas getan hat, was strafrechtlich zu ahnden wäre.“