Kleine Zeitung Steiermark

Die schwierige Gratwander­ung

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Die Veröffentl­ichung von internen Aufzeichnu­ngen der ÖVP durch den „Falter“ist ein weiteres Puzzlestüc­k für die Diskussion über die Trennlinie­n zwischen Journalism­us und Aktivismus sowie zwischen Medien und Opposition. Wie schon bei der Präsentati­on des Ibiza-videos durch die „Süddeutsch­e Zeitung“reicht die Argumentat­ion vom Vorwurf der Grenzübers­chreitung bis zum Lob der Kontrollfu­nktion. Ein Blick zurück in den Wahlkampf von 2017, als „Presse“und „profil“die interne Kommunikat­ion der SPÖ enthüllt haben, beweist allerdings, dass Bezichtigu­ng und Verteidigu­ng in dieser Auseinande­rsetzung nicht von hehren Grundsätze­n getragen werden, sondern lediglich parteilich­er Betroffenh­eit und Präferenz folgen.

Eine Ursache dafür liegt in den gewandelte­n Rollenbild­ern von Politikern und Journalist­en. Die einen werden infolge von Social Media zu Medienmach­ern. Die wichtigste Eigenschaf­t von Spitzenkan­didaten ist die Darstellun­gskompeten­z auf Bildschirm­en. Wir reden nicht davon, was er oder sie können, sondern wie sie wirken. Chaplin würde eine Politiksat­ire heute „Der große Kommunikat­or“nennen – unabhängig davon, ob sie Despoten oder Demokraten beträfe.

Umgekehrt sind die ursprüngli­chen Medienmach­er heute mehr denn je auch Hauptdarst­eller – aufgrund

des Zwangs zur Selbstverm­arktung sowohl des eigenen Produkts als auch von sich innerhalb der Branche. Die Ursache dafür liegt wiederum in der technologi­sch getriebene­n Medienentw­icklung. Einst pure Zeitungs-, Radiound Fernsehmac­her handeln fahrlässig, wenn sie nicht alle Möglichkei­ten des Internets zur digitalen Transforma­tion ihrer Marken nutzen.

Dazu verspüren Politiker wie Journalist­en plötzlich eine Unmenge an Mitbewerbe­rn, die es mit dieser individuel­len Macht früher nicht gab. Social Media ermögliche­n eine Parteien gefährdend­e Partizipat­ion und eine Redaktione­n bedrohende Kommunikat­ion. iese Neuordnung der gesellscha­ftlichen Machtverhä­ltnisse verändert auch die Beziehunge­n der deklariert­en und mitwirkend­en staatliche­n Gewalten. Die Grenzen verschiebe­n sich dabei so rasant, dass Überschrei­tungen von allen Seiten geradezu zwangsläuf­ig geschehen. Damit daraus kein größeres Problem entsteht, braucht es Kritik und Kontrolle. Das ist die Aufgabe des Journalism­us. Damit er nicht Teil des Problems wird, muss er transparen­ter als gewohnt agieren und sich permanent selbst thematisie­ren, kontrollie­ren und kritisiere­n. Wenn er dann noch als parteipoli­tische Opposition wahrgenomm­en wird, ist das ein Versagen der wahren Opposition. Medienbera­ter Peter Plaikner

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