Mit ganz viel Gefühl
Entsetzen, Leid und Ekstase: Caravaggio und Bernini, die Meister des Frühbarocks, sorgen im Kunsthistorischen Museum für viele Gefühlsaufwallungen.
Es ist so unglaublich!“, schwärmt eine Ausstellungsbesucherin, den Kopf leicht nach rechts geneigt und lang ausatmend. Das ist also der Zauber eines Caravaggio: Man steht davor und weiß nicht ganz so recht, wie man es konkret in Worte fassen soll. Meist kommen Superlative heraus, aber die sind hier schon richtig. Menschlicher Erregungszustand mit sieben Buchstaben, würde das Kreuzworträtsel fragen. Die Antwort: Emotion.
Italien zu Beginn des 17. Jahrhunderts: Ein gebürtiger Mailänder elektrisiert Rom. Auch, weil dem Klerus zur damaligen Zeit ein Licht aufgeht, wie man der Reformation Luthers mit sakraler Kunst etwas entgegensetzen kann. Und einer kann es: Michelangelo Merisi da Caravaggio (1571–1610), kurz Caravaggio genannt. Wie kein anderer kann er diesen sakralen Bildinhalten Leben einhauchen. Aber nicht mit einer überbordenden Farbpalette, sondern mit einem genialen Dialog aus Hell und Dunkel, Licht und Schatten. Heraus kommt die ganze Bandbreite menschlicher Emotion. Nicht umsonst nennt das Kunsthistorische Museum seine aktuelle Herbstausstellung auch „Caravaggio & Bernini – Entdeckung der Gefühle“. „Nie wurde mit mehr Energie und Einfallsreichtum an der Darstellung von Gefühlen gearbeitet als im Rom des 17. Jahrhunderts“, sagt Kuratorin Gudrun Swoboda. Und so steht man vor Ort und bleibt schon im ersten Raum wie angewurzelt stehen, weil einen die „Medusa“des Bildhauers Gian Lorenzo Bernini (1598–1680) angiftet, als hätte man ihr mit voller Absicht die Vorfahrt genommen.
Dieser Bernini, ein Zeitgenosse Caravaggios, konnte den Gefühlsüberschwang des Frühbarocks auf seine Skulpturen übertragen. Wer sich von Medusa losreißt, der kommt vielleicht zwei Meter weit, dann steht man schon sprachlos vor Caravaggios „Narziss“. Um 1600 wurde das Bild angefertigt, aber es passt perfekt in die Gefühlslage