Propaganda in vollem Galopp
Auf dem Paektu, dem mächtigsten Berg der koreanischen Halbinsel, zeigte sich dieser Tage Kim Jong-un (35) hoch zu Ross. Nordkoreas Machthaber gab der Propagandamaschinerie die Sporen: „Sein Marsch auf dem Pferderücken auf dem Paektu-berg ist ein großes Ereignis von gewichtiger Bedeutung in der Geschichte der koreanischen Revolution“, schäumten die Staatsmedien über.
Außerhalb des bereits seit 70 Jahren von der Kim-dynastie gelenkten Landes dürften die Bilder als Egoschau in vollem Galopp und als weitere Episode eines zumindest an Skurrilitäten nicht armen Regimes abgetan werden: Dynamische Herrscherkraft, die auch beim Ritt durch Schneefelder auf Spur bleibt. Sogar der Schimmel mystisch hergerichtet wie in einem jener Fantasy-filme, die man einst in den unteren Videotheken-regalen suchen musste. In Südkorea wird indes spekuliert, dass dem Ausflug zum Paektu – wie schon einige Male zuvor – eine bedeutsame politische Entscheidung folgen könnte. Geht es gar um eine Wende in der Atompolitik?
Freilich, neu erfunden hat Kim Jong-un maskulin bis lächerlich wirkende Selbstinszenierung im fortgeschrittenen Alter nicht: Wladimir Putin ist um Kraftfutter für den Kult um seine Person ebenfalls nicht verlegen. So gibt es vom russischen Präsidenten Fotos, die ihn mit nacktem Oberkörper auf einem Pferd zeigen (kleines Bild): Der Abenteurer, der mit Tundra und Taiga auf Du und Du ist – und die Zügel niemals aus der Hand gibt. Den Amtskollegen Kims galt es zudem als zur Hälfte entblößten Angler und wackeren Gipfelstürmer, aber auch in Kampf-jets und Panzern zu bestaunen. Zuletzt veröffentlichte der oberste Russe (67) etwas subtilere Freizeitaufnahmen – eine zeigt ihn versonnen auf selbst gepflückte Pilzlein blickend.
Was will uns Häuptling Kim Jong-un mit den Fotos sagen? Zumindest bis das aufgeklärt ist, wird das Internet ausgiebig Spott austeilen. Alles Glück dieser Erde liegt auf dem Rücken der Pferde – und manchmal haben dort sogar noch Machthaber Platz.
Thomas Golser