Die undichte Republik
Allein das Ansinnen, das Handy einer aktiven Abgeordneten und einer Journalistin zu beschlagnahmen, zeigt, wie weit heruntergekommen die demokratische Kultur ist.
Es gibt wenig, was für einen Nachrichtendienst peinlicher ist als eine undichte Stelle. Mit Ausnahme vielleicht, dass einen die eigenen Kollegen in aller Öffentlichkeit einer operettenhaften Hausdurchsuchung unterziehen oder dass man von der internationalen Geheimdienst-community als nicht mehr ganz dicht eingestuft wird. Kein Zweifel, das BVT hat einiges mitgemacht.
Ein Leck also: Irgendjemand im BVT hat offensichtlich Vertrauliches an eine Abgeordnete der Opposition und an eine Journalistin „geleakt“. Vom Ansinnen des Bundesamts für Korruptionsbekämpfung, die Handys sowohl der Abgeordneten als auch der Journalistin zu beschlagnahmen, um das Leck zu finden, hört der damals amtierende Fpö-innenminister (Herbert Kickl) jetzt zum ersten Mal. Er sei „entsetzt“, sagt er, und empfiehlt bei der Övpstaatssekretärin (Karoline Edtstadler) nachzufragen, was sie davon weiß. Die ÖVP zeiht ihn der Täter-opfer-umkehr. Am End’ weiß, wie es so schön heißt, keiner nix.
Das war vorhersehbar, aber es wäre immerhin eine Welturaufführung, wenn österreichische Beamte einen so dramatischen Ermittlungsschritt ganz in Eigeninitiative gesetzt hätten, ohne sich vorher nach oben, unten, links, rechts, vorne und hinten abzusichern. Wir erwarten weitere Enthüllungen.
Die Staatsanwaltschaft ist dem Ansinnen mit Hinweis auf das Redaktionsgeheimnis nicht gefolgt. Die Abgeordnete betreibt schließlich auch einen Blog. Die Dämme halten – noch.
Nichts passiert also? Und was ist mit dem Handy von Heinzchristian Strache, das ja auch beschlagnahmt wurde und eine wahre „Fundgrube“sein soll? Ein paar Dinge sind auseinanderzuhalten: Strache war als Minister Teil der exekutiven Staatsgewalt. Er hat sich in der Casino-affäre massiv verdächtig gemacht. Regierungsmitglieder – schon gar nicht frühere – sind nicht strafrechtlich immun. Abgeordnete sind es, und sie haben die Aufgabe, die Exekutive zu kontrollieren. Dabei sind sie wie Journalisten auf vertrauliche Informationen angewiesen. Journalisten müssen deshalb sogar vor Gericht ihre Quellen nicht preisgeben.
Demokratien wie Österreich haben die Freiheit der Presse sogar in der Bundesverfassung garantiert, weil garantiert nicht jeder, der einmal Politiker wird, versteht, warum das so wichtig sein soll. Ohne wirksame Kontrolle durch Abgeordnete und Journalisten gibt es keine Demokratie. „Der Schutz der Pressefreiheit ist unverzichtbar in einer Demokratie“, richtet uns die Regierung aus. Das liest sich gut, nicht nur in Sonntagsreden. er derzeitige Innenminister (Wolfgang Peschorn) greift der/dem künftigen (Edtstadler?) vor, indem er einen Prüfer ins BVT schickt. Er will das Leck finden, aber auch die dringende Neuaufstellung des hoffnungslos kompromittierten Hauses einleiten. Und die Koalitionsverhandler von ÖVP und Grünen haben einiges zu besprechen. Eine Frage, die sie sich dringend beantworten müssen: Wie dicht ist diese Republik überhaupt noch?
D