Zur Person
Ich glaube, es gibt eine massive Verschiebung aus der regulierten Finanzwelt in die unregulierte Finanzwelt. Da braut sich etwas zusammen, was die nächste Krise hervorrufen wird. Bei der regulierten Finanzwelt in Europa würde es mich extrem wundern, wenn da in den nächsten 20 Jahren ein Problem entstehen würde. Außer ein Ertragsproblem. Natürlich gibt es Firmen, die bei normalen Zinsen nicht überlebensfähig wären. Entscheidender ist aber die Frage, wie dann die Staatsfinanzen aussehen würden, denn die niedrigen Zinsen wurden bisher nicht genutzt.
Angesichts dieser Tatsache: Werden wir auf absehbare Zeit wieder einen realen Zins sehen?
Nein, ich kann mir keine Entwicklung vorstellen, die in den nächsten Jahren dazu führt, dass wir wieder reale Zinsen sehen. Die einzige Möglichkeit, wie es zu einer starken Inflation kommen könnte, ist, dass durch die Klimaerwärmung eine massive Verteuerung entsteht – etwa beim Transport. Und die Probleme dieser Nullzinsen – wie etwa das Ende jeglicher privaten Pensionsvorsorge – sind leider sehr schlecht für die Politik tauglich, da sie erst langfristig auftreten werden. Für die Umwelt kann sich die Jugend dank Greta Thunberg begeistern. Für Zinsen geht aber niemand auf die Straße demonstrieren.
Anderes Thema: Wie erklären Sie sich eigentlich die Liebe der Österreicher zum Bargeld?
Der Österreicher hat eine größere Abneigung gegenüber Transparenz als beispielsweise Skandinavier. Bargeld bedeutet, ich kann mir etwas kaufen, ohne dass jeder weiß, dass ich es besitze. Dafür habe ich auch großes Verständnis. Aber es wird sich in Zukunft nicht mehr spielen.
Die Befürworter des Bargelds argumentieren auch, dass Negativzinsen leichter durchzusetzen sind, wenn es nur mehr elektronische Guthaben gibt. Eine übertriebene Angst oder eine berechtigte Sorge?
Das ist absolut berechtigt. Auch wir als Erste haben relativ große, eigentlich riesige, Barbestände. Die Versicherungsprämie, die wir dafür bezahlen, liegt bei 25 Basispunkten. Damit sparen wir uns 25 Basispunkte gegenüber dem negativen Einlagenzinssatz bei der EZB. Insofern ist es natürlich auch ärgerlich, dass der 500-Euro-schein abgeschafft wird. Zwei Milliarden in 500ern lagern ist billiger als zwei Milliarden in Hundertern.
Offiziell ist das eine Maßnahme im Kampf gegen Schwarzarbeit. Ist es in Wirklichkeit der Kampf gegen jene, die ins Bargeld flüchten wollen?
Beides stimmt. Wobei ich grundsätzlich schon für mehr Transparenz bin, weil so Korruption eliminiert wird.
Zum Abschluss: Was sind abseits der Stiftung Ihre Pläne für die Zukunft. Wie wird sich Ihr Leben verändern?
Ich glaube nicht, dass sich so wahnsinnig viel verändern wird. Ich wollte eigentlich drei Monate verschwinden. Irgendwohin mit dem Rucksack fliegen, zum Beispiel nach Nepal. Aber das geht nicht, weil meine Frau nicht mitkommen kann und ich auch das Thema Finanzbildung vorbereiten muss. Es wird gerade der Lehrplan für 2022/23 erstellt und ich möchte alles tun, was möglich ist, damit Wirtschaft
Andreas Treichl, geboren am
16. 6. 1952 in Wien. Er ist studierter Volkswirt, arbeitete viele Jahre bei Chase Manhattan, bevor er zur Erste Group kam.
Seit 1997 ist Treichl ihr Chef. Anfangs mit rund 3000 Mitarbeitern in Österreich und mittlerweile mit 47.000 in Zentral- und Osteuropa.
wird Bernhard Spalt Treichl an der Spitze der Bank ablösen.
Treichl ist der Sohn des langjährigen legendären Creditanstaltchefs Heinrich Treichl, der im November 2014 im Alter von 101 Jahren verstorben ist. Mit seiner Frau Desirée Treichl-stürgkh hat Andreas Treichl drei Söhne.
und Finanzkunde als Pflichtfach ab der ersten Klasse der Sekundarstufe eingeführt wird. Das soll auch völlig ideologiefrei geschehen, sondern nur mit Fakten. Was ist der Unterschied, wenn ich auf 30 Jahre ein halbes Prozent Zinsen bekomme oder vier Prozent? Wie funktioniert ein Unternehmen? Wie finanziert sich ein Staat? Das sollten die jungen Leute lernen.
Eventuell müssten Sie da mit einem grünen Bildungsminister verhandeln.
Ich habe mit den Grünen, mit denen ich beruflich Kontakt hatte, immer sehr gut zusammengearbeitet. Vor allem mit Vertretern der grünen Wirtschaft. Es gibt viele gute Leute bei den Grünen. Und ich glaube auch, dass eine türkis-grüne Regierung – anders als Türkis-blau – bei manchen Zukunftsthemen wie Klimawandel, aber auch der Unmöglichkeit der privaten Pensionsvorsorge, wesentlich langfristiger Denken wird.
Das Gespräch mit Andreas Treichl fand am Rande eines Treffens der Bundesländerzeitungen in Wien statt. Für die Kleine Zeitung nahm Hubert Patterer teil.