Späte Genugtuung für den Geduldigen
Hermann Schützenhöfer hat sich jahrzehntelang unauffällig nach oben gedient. Der Lohn ließ auf sich warten. In einem Alter, in dem andere längst nur mehr Golf spielen, steht der Pflichtbewusste im Zenit seiner Macht.
Gestern Nachmittag saß Hermann Schützenhöfer am großen Besuchertisch in seinem Büro im 2. Stock in der Grazer Burg. Rund um den Politiker, dem nichts lieber ist als der Blick auf geordnete Verhältnisse, ist jetzt endlich einmal alles in Ordnung: Gattin Marianne ist an seiner Seite, die beiden Kinder Elisabeth und Thomas sind da, der gesamte Stab des Landeshauptmann-büros ist angetreten. Dazu die üblichen Getreuen: alle Landesräte, Bundesparteichef Sebastian Kurz, Ex- und Vermutlich-wieder-ministerin Juliane Bognerstrauß, Landtagsklubchefin Barbara Riener und die Landesobleute aller Övp-bünde.
Vor allem passt natürlich das Wahlresultat. Endlich liegt die ÖVP wieder voran. Die Schmach von 2005 ist getilgt, der „geschenkte“Landesthron ist jetzt zu einem ehrlich verdienten geworden. Schützenhöfer weiß in der Stunde des Sieges, wie wenig selbstverständlich das alles ist. Er hat fürwahr auch andere Zeiten erlebt.
Mehr als 14 Jahre ist das jetzt her: 2. Oktober 2005, die ÖVP kopflos und am Boden. Die Ära Waltraud Klasnic war soeben krachend implodiert, die Scherben einer großen schwarzen Familienfehde lagen in der Parteizentrale auf dem Grazer Karmeliterplatz offen auf dem Boden. Draußen marschierte die Sozialistische Jugend mit Fackeln auf und verhöhnte die Landesschwarzen.
Wer sollte den Karren aus dem Dreck ziehen? Natürlich blickten alle erwartungsvoll auf ihn: Als Personallandesrat und Öaab-obmann zählte Schützenhöfer damals zum engeren Führungskreis der Partei. Doch der gebürtige Niederösterreicher zögerte. Nein, er mache es nicht – denn noch nie seit 1945 sei einer aus dem ÖAAB „das“gewesen, beschied er den Parteifreunden, und mit „das“war der bisher stets zwischen Wirtschaftsund Bauernbündlern
verhandelte as Machtwort, das ihn seine Meinung ändern ließ, sprach damals einer, dem er nichts abschlagen konnte: sein Mentor Franz Wegart, Jahrgang 1918, Ex-landtagspräsident, Ex-vizelandeshauptmann, seinerseits ein unantastbares Urgestein der Landespolitik. „Einem Einberufungsbefehl ist Folge zu leisten“, soll der militärisch geprägte Wegart damals gesagt haben.
Noch ein Dreivierteljahr später sagte Schützenhöfer in einem Referat: Er habe die Partei damals in dunkler Stunde übernommen, „weil es in einer Gemeinschaft nicht nur Pflichterfüllung, sondern auch so etwas wie Treue gibt“. Das spiegelt das Denken dieses Mannes wider: Er ist das Gegenteil eines Paradiesvogels, der klassische politische „Längseinsteiger“, der im mühsamen Weg durch Institutionen, Ämter und Funktionen Stufe um Stufe der Karriereleiter erklimmt.
Sicher, jetzt steht er ganz oben. Aber angefangen hat er ganz unten. Fleiß, Beharrlichkeit, Zähigkeit – in Sachen „langer Atem“kann es keiner mit ihm aufnehmen. Es gibt keinen Bruch in dieser Biografie, aber vor allem auch kaum Spuren von Leben außerhalb der Politik. Eine Kaufmannslehre und ein bisserl Ministrieren im oststeirischen Kirchbach, dazu
DParteivorsitz gemeint.
als Journalist stehen im Lebenslauf – der Rest ist ein lupenreines Funktionärsleben.
Der Zündfunke für politisches Denken datiert bei Schützenhöfer schon aus seiner Hauptschulzeit in den 1960erjahren in Edlitz. Der Vater, ein Bauarbeiter, wurde von der Firma Negrelli gekündigt, weil er sich geweigert hatte, der Gewerkschaft Bau-holz beizutreten. Mit dem weißen Lohnsackerl und seinem Entlassungsbrief sei der Vater damals vor ihnen gestanden: „Das hat uns die Ohnmacht ins Gesicht gedrückt.“Damals habe er gelernt, dass man sich gegen Ungerechtigkeit wehren muss.
Das äußerte sich zunächst in durchaus rebellischen Umtrieben, die die Lebenserfahrung dem Gereiften inzwischen längst abgeschliffen hat. Mit 27 Jahren zog der Övp-gewerkschafter 1979 als jüngster Mandatar in den Vorstand der Arbeiterkammer ein. Das dort übliche, kollektive „Du“konnte er nur wenige Wochen genießen. Dann entzog ihm die rote Übermacht diese Ehre, denn Schützenhöfer hatte Falschauszählungen von Stimmzetteln bei Betriebsratswahlen in Donawitz zum Thema gemacht. Auch die Ak-wahl 1979 ließ er anfechten, und zwar vom Rechtsanwalt und späteren Övp-generalsekretär Michael Graff.
Der Vater stand mit dem Lohnsackerl vor uns, er war gekündigt worden, weil er nicht der Gewerkschaft beitreten wollte. Das hat uns damals die Ohnmacht ins Gesicht gedrückt.
Hermann Schützenhöfer
Doch Schützenhöfer wurde kein „Sozialistenhasser“, sondern im Gegenteil ein Politiker der Mitte und ausgewiesener Großkoalitionär. Soziale Gerechtigkeit war das große Leitthema, das sich in erstaunlicher Konsequenz durch alle seine frühen Reden zieht. Bei einer Tagung in Oberschützen im März 1990, als er sich wie so oft für einen Mindestlohn starkmachte, platzte ihm der Kragen: Wenn er an die Mini-löhne für Fließbandarbeiterinnen denke, dann sei Arbeit plötzlich nicht mehr im christlich-sozialen Sinn eine Mitwirkung am Schöpfungsauftrag. Sondern dann werde sie „zur Gotteslästerung“. r sei ein „Bündemensch“und stehe symbolisch für die Verkrustung der ÖVP, hat ihm FPÖ-CHEF Mario Kunasek in diesem Wahlkampf vorgeworfen. Doch das ficht den „Landeshermann“, wie ihn Mitarbeiter mitunter titulieren, längst nicht an. Gewiss, er mag unbeweglich und manchmal unmodern wirken. Aber das Beanfangsversuche
Ehäbige ist vor allem ein Panzer, der in einem Stahlbad von Siegen, Krisen, Volten, Niederlagen und Wiederauferstehungen lebenslange Härtung erfuhr. er nicht akademisch Gebildete kämpft glaubhaft für Wissenschaft, Forschung, Innovation, pflegt Kontakte zu Professoren und Wirtschaftsbossen. Das Land als Hochtechnologiezentrum zu festigen – das ist heute seine Hauptmission. Dass er daneben ein authentischer Referent für Volkskultur ist, illustriert jene spezifische Breite, die einen Landeshauptmann erst zum Volksschauspieler macht. Hier liegt der Ursprung für den Amtsbonus, mit dem er am gestrigen Tag scheinbar spielend alle Gegner an die Wand drückte.
So ist Schützenhöfer der Urtyp des „homo politicus“, ein bisschen aus der Zeit gefallen, ein großer Zuhörer, spendabler Steuergeldverteiler und würdevoller Ehrengast. Ein Mann aber auch, der jede Finte, jeden Schachzug politischer, auch parteipolitischer Machtausübung kennt und anzuwenden versteht. In einem Alter, in dem andere längst nur mehr Golf spielen gehen, steht der eisern Pflichtbewusste im Zenit seiner Macht. Die Partei liegt ihm schon längst zu Füßen, seit gestern gehört ihm auch das Land. Am Sonntag hatte er Tränen in den Augen.
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