Bombast, Plastik und viele Klischees
Bonez MC und RAF Camora zeigten vor 11.000 Jugendlichen eine ungefährliche, aber nicht unproblematische Mafia-welt unter Palmen.
Die Biertheken sind auffallend dünn besiedelt. Rund elftausend Zuschauer sind gekommen, um Bonez MC und RAF Camora, verkaufsfördernd zu „Skandalrappern“hochstilisiert, Samstagabend in der Stadthalle Graz zu sehen. Viele im Publikum sind so jung, dass sie an besagter Biertheke gar nichts verloren haben.
Mit ihrem Deutschrap-projekt „Palmen aus Plastik“, das ein ganzes Genre definierte, feierte das Duo in Graz Premiere. Die Musik, die die beiden in hitzigen zwei Stunden zum Besten geben, lebt von stampfenden, nach vorn preschenden Dancehall-rhythmen und schwer verdaubaren, drogenverherrlichenden und schlicht sexistischen Texten. Das beliebte Stilmittel der Übertreibung, das vor allem im Hip-hop als cineastische Kulisse für Schilderungen abseits der normalen, bürgerlichen Lebenswelt wirkt, verschwimmt bei den Songs oft.
Das große Aber: Für die Hörerschaft ist diese Mafia-welt – wie die Palmen auf der Bühne – eine Plastik-kulisse zum Partymachen, keine gefährliche Inspiration. Bonez MC und RAF Camora fungieren als Regisseure, ihre Zuhörer eifern ihnen in Maßen nach. Die Burschen zwängen sich in Xs-shirts, um ihre Brustmuskeln zur Schau zur Stellen, die Mädchen machen selbiges mit ihrem Hinterteil.
Die Razzia und Festnahme von Bonez MC in München am Tag zuvor ist hier kein Thema. Das Hitfeuerwerk („Ohne mein Team“, „Nummer unterdrückt“) wird pünktlich gezündet. Mit „500 PS“drehen die Rapper ein paar Runden mit echten Mopeds auf der Bühne, ein riesiges Krokodil schnappt aus dem Bühnenbauch Richtung Menge. Mindestens drei Mal wechseln die Rapper ihre Outfits. Hier ist man längst im Pop angekommen. Bombast, Klischee, Plastik. Julian Melichar
Zenit.
RAF Camoras Soloalbum erschien vor einem Monat beim eigenen Label Indipendenza.