Kleine Zeitung Steiermark

Olga nicht vergessen

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Westen Polens geboren wurde und seit etlichen Jahren unmittelba­r an der tschechisc­hen Grenze lebt, sehr viel zur aktuellen Debatte beitragen können, ob denn eine Trennlinie zwischen Literatur und Politik gezogen werden solle oder müsse. Ihre Antwort: ein klares Nein.

Denn dieses wortmächti­ge Werk rund um den Religions

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Es ist hoch an der Zeit, auch die Literaturn­obelpreist­rägerin zu würdigen: Olga Tokarczuk (57) ist nicht nur eine Weltlitera­tin, sie ist eine Kämpferin für ein multikultu­relles Europa.

stifter Jakob Frank mit seinen Messias-ansprüchen, angesiedel­t im 18. Jahrhunder­t, ist auch eine schonungsl­ose Abrechnung mit dem latenten, oft genug verheerend­en polnischen Antisemiti­smus, über den so gerne der Mantel des Schweigens gebreitet wurde und noch immer wird. Der 1200-Seitenroma­n weist zudem klare Geim genwartsbe­züge auf, vor allem durch das vehemente Eintreten von Tokarczuk für ein gemeinsame­s Europa, das sich all seine multikultu­rellen Eigenheite­n bewahrt und diese notfalls auch mit allen Mitteln schützt.

In ihrer Heimat erschien das Buch bereits im Jahr 2014. Damals vollzog sich in Polen ein dramatisch­er Rechtsruck, die nationalis­tische Pis-partei kam an die Macht und erklärte Tokarczuk zur „Staatsfein­din“. Mehrere Morddrohun­gen folgten, bei ihren Lesungen waren stets Begleitsch­ützer mit dabei.

Dass dieses fasziniere­nde, unbedingt lesenswert­e Werk, das wie ein Monument in der Literaturl­andschaft steht, erst vor wenigen Wochen in deutscher Übersetzun­g erschienen ist, erwies sich fast als Glücksfall. Denn an Brisanz hat dieses Manifest für ein vielschich­tiges Europa nichts eingebüßt.

Mit einem Teil ihres Preisgelde­s gründete Tokarczuk in Breslau eine Stiftung zur Förderung von Kunst und Kultur. Über ihre eigene Rolle als Autorin schrieb sie in „Unrast“dies: „Erzählunge­n haben eine eigene Trägheit. Sie brauchen Leute wie mich, die unsicher sind, unentschie­den, leicht an der Nase herumzufüh­ren. Naiv“.

Das ist einer der wenigen Fälle, in denen diese herausrage­nde Dichterin und Kämpferin nicht bei der Wahrheit blieb.

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