Kleine Zeitung Steiermark

Ganz schön exotisch, diese Festtagsbr­aten

- Von Birgit Pichler

Wohl bekommt’s: Was am heutigen Christtag aufgetrage­n wird und was in früheren Zeiten als festliche Speise auf den Tisch kam.

Ein köstlicher Duft durchzieht den Raum. Seit Stunden gart der Truthahn im Backrohr. Erst zum Schluss, wenn sich die ganze Familie um den Tisch versammelt, wird die Haut unter großer Hitze goldbraun und knusprig gebraten. Ein Festschmau­s – wie jedes Jahr am Christtag. Warum der Truthahn – besser noch die zartere Truthenne – gerade am 25. Dezember in vielen österreich­ischen Haushalten auf den Tisch kommt, entstammt zum einen der kirchliche­n Fastenzeit. Denn die endet erst mit der nächtliche­n

Christmett­e.

Zum anderen kommt der Vogel aus Mexiko und verbreitet­e sich im 16.

Jahrhunder­t – etwas später als der

Ölkürbis – von

England aus über Europa. Dort gilt der 24.

Dezember noch als Vorbereitu­ngstag, bevor Santa Claus in der Nacht auf den 25. mit Geschenken/weihnachts­strümpfen hantiert und erst später am Tag traditione­ll der gefüllte Truthahn serviert wird.

In England, genauer in Exeter im Südwesten, fanden Archäologe­n auch den bislang ältesten Hinweis auf den Verzehr einer Pute in Europa. Sie datierten die Schenkel- und Flügelknoc­hen auf 1520 bis 1550. Ob das Tier zu Weihnachte­n verspeist wurde, ist nicht bekannt. Fest steht aber, dass es da

ein besonderer Anlass gewesen sein musste, denn zu dieser Zeit waren die Tiere noch rar und teuer.

Auch in Frankreich, den USA und Australien wird heute Weihnachts­truthahn aufgetisch­t – und mitunter bei gleißender Sonne als kalter Braten am Strand verzehrt. Bevor die Österreich­er auf die Pute kamen, standen andere Speisen im Fokus der Feierlichk­eiten. Vor dem 14. November, dem Beginn der Fastenzeit, speiste man an Martini nach altem Brauch eine Gans. Und so beendete man auch oft die Zeit frugaler Mahlzeiten – mit einem Gänsebrate­n. Im Vergleich zum Truthahn ist an der Gans recht wenig dran, auch deshalb konnte sich der Truthahn einen Platz an den festlichen Tischen erobern. Je nach Bundesland kamen zu Weihnachte­n auch Selch- oder Bratwurst, Karpfen, Fischbeusc­helsuppe, Ente, Fasan und anderes Geflügel auf den Tisch.

Prediger Abraham a Sancta Clara erwähnte 1686 in seinem Werk „judas der ertz schelm“weltgewand­t neben einer „Frimals

aus Frankreich“und „Knackwurst aus Pommern“auch „Copauner auß Steyermarc­k“und „Lerchen auß Oesterreic­h“.

Im Küchenverz­eichnis des Zisterzien­serstifts in Neuberg an der Mürz aus dem

17. Jahrhunder­t sind „Hiener,

Cappauner,

Gäns, Anten,

Rebhendl“und „indianisch­er Hahn“verzeichne­t.

Vor allem der Großeltern­generation ist noch der Name Indian für den Truthahn ein Begriff. Außerdem nannte man ihn noch Janisch, Welscher Hahn oder Calecuter. Gezüchtet wurden die Tiere frücassee her in Ungarn und – wie die Kapaune für den kaiserlich­en Hof – in der Steiermark. Die Grazer Kochbuchau­torin Katharina Prato leitete 1869 in „Die Süddeutsch­e Küche“, die noch im Styria Verlag erscheint, zur Zubereitun­g diverser Festbraten wie Reiher, Birkhuhn, Wildtaube und Krammetsvo­gel (Wacholderd­rossel) an. Besondere Aufmerksam­keit widmete sie jedoch dem „Indian. Der „nicht sehr fette“Vogel wurde etwa „inwendig gut gesalzen, auf der Brust mit Limonensaf­t bestrichen“, gespickt und gedämpft. Außerdem hegte sie eine Vorliebe für Trüffeln als Fülle. Zwar nicht so dekadent, wie Gioacchino Rossini das gehandhabt hätte – der Komponist soll die Tiere mit Trüffeln vollgestop­ft und nach Tagen die Übung mit frischen Pilzen wiederholt haben. Aber auch die Prato trüffelte fröhlich drauf los. Und sie füllte Puten mit Austern. Heute werden zumeist Äpfel, Zwiebel, Speck oder Maroni verwendet.

So oder so, mit dem letzten Bissen kommt die Zufriedenh­eit. Denn ein Festtagsbr­aten wärmt auch die Seele, weil damit das Gefühl von Geborgenhe­it und Zusammenge­hörigkeit verknüpft ist. Bis zum nächsten Jahr also, an diesem Tisch.

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GETTY IMAGES Die Gans hat einen geringeren Fleischant­eil als der Truthahn. Ihre Keulen sind dunkler und erinnern an Wildgeflüg­el
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