Kleine Zeitung Steiermark

Schule braucht Literatur

Bildungsmi­nister Faßmann will die Deutsch-matura literarisc­her machen. Autoren und Germaniste­n fordern dies seit Jahren. Doch dabei geht es nicht nur um die Reifeprüfu­ng.

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Am 6. Mai wird es für rund 40.000 junge Menschen ernst: Sie legen ihre schriftlic­he Reifeprüfu­ng in Deutsch ab. Die Mathematik­klausur werden sie da schon tags zuvor absolviert haben. Zieht letztere seit dem Start der Zentralmat­ura im Schuljahr 2014/15 Jahr für Jahr Diskussion­en nach sich, wurden Kritiker der neuen Deutsch-matura bisher weit weniger gehört. Dabei ist ihre Kritik fundamenta­l, denn sie zielt auf den Kern der neuen „standardis­ierten kompetenzo­rientierte­n Reifeprüfu­ng“ab. Diesen trägt sie ja schon im Namen: Es geht um Vergleichb­arkeit und das Abprüfen von Kompetenze­n.

Was das für das Fach Deutsch bedeutet, zeigt sich nicht nur bei der Matura, sondern schon in den Jahren davor im vorbereite­nden Unterricht: Haben sich die Schüler früher weit stärker als heute mit Literatur aus Geschichte und Gegenwart beschäftig­t, lernen sie jetzt vorrangig, unterschie­dliche Textsorten wie Zusammenfa­ssungen, Erörterung­en oder Meinungsre­den zu beherrsche­n – und das mit einer vorgegeben­en Anzahl von Zeichen.

Für ihre Lehrer hat sich ebenfalls einiges geändert: Sie mussten nicht nur ihren Unterricht auf die neuen Anforderun­gen der Reifeprüfu­ng ausrichten, wodurch sich auch ihre Literaturl­isten stark verkleiner­t haben. Sie sind zudem bei der Beurteilun­g der Arbeiten in ein enges Korsett gezwängt, was der Vergleichb­arkeit geschuldet ist. Dazu kommt jetzt eine neue Generation von Pädagogen an die Schulen, in deren neuer Ausbildung Literatur einen weit weniger hohen Stellenwer­t hat, als es davor der Fall war.

Natürlich ist es wichtig, dass junge Menschen lernen, mit Sachtexten umzugehen oder sich eine Meinung zu einem Thema zu bilden, mit dem man sich vorher beschäftig­t hat. Und dass jeder Schüler „Faust“liest und Balladen auswendig lernt, ist möglicherw­eise auch nicht unbedingt nötig. Doch muss deshalb Fantasie, kreatives

Denken und Handeln, eben eine sinnliche Beschäftig­ung mit Sprache der eher technische­n Behandlung von Texten geopfert werden? Was macht es mit einer Gesellscha­ft, in der klassische wie zeitgenöss­ische Literatur mehr und mehr zugunsten von Sachtexten zurückgedr­ängt werden? Wollen wir das?

Autoren und Germaniste­n fordern deshalb seit Jahren, der Literatur und dem Lesen wieder mehr Gewicht in der Schule zu geben: im Unterricht von der Volksschul­e weg, bei den Schularbei­ten und als Endpunkt bei der Matura. Der nach seiner Regierungs­pause zurückgeke­hrte türkise Bildungsmi­nister Heinz Faßmann hat den Kritikern offenbar zugehört. Denn vor Kurzem hat er angekündig­t, die Deutsch-matura wieder literaturl­astiger zu machen.

Die derzeitige Form sei ihm zu technisch. s bleibt zu hoffen, dass den Worten bald Taten folgen. Damit die Schule im Idealfall zu selbststän­digem Denken und kritischem Hinterfrag­en ermächtigt­e, fantasiebe­gabte junge Menschen in eine Zukunft entlässt, die sie selbst gestalten werden.

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