Ridiküle Religionen
In Österreich verlangt eine Vereinigung von Atheisten die Anerkennung als Religionsgemeinschaft. Menschen, die der Ansicht sind, dass Gott nicht existiert, wollen wie eine Kirche behandelt werden. Man reibt sich verwundert die Augen.
Ein britisches Gericht, so lasen wir etwas verwundert in den Zeitungen, hat nun bestätigt, dass der Veganismus ein religiöser oder philosophischer Glaube sei.
Einmal davon abgesehen, dass sich die meisten philosophischen Denkrichtungen dagegen verwehren würden, einem religiösen Gefühl gleichgesetzt zu werden, kann man diese Entscheidung als Erhärtung eines lange gehegten Verdachts auffassen. ährend klassische Religionen auch Ernährungsvorschriften kennen, werden heute Ernährungsvorschriften selbst zu Religionen. Was aber ist damit gewonnen? Was will man erreichen, wenn man Verrichtungen des alltäglichen Lebens mit einer Aura des Heiligen umgibt?
Die Antwort scheint klar: Es geht darum, den Sonderstatus, den religiöse Gefühle und Einstellungen gerade in säkularen Gesellschaften genießen, für seine eigenen Ansichten und Vorlieben zu erlangen.
Diese Intention unterstreicht ein Antrag, den im ehemals katholischen Österreich nun eine Vereinigung von Atheisten gestellt hat. Sie verlangt die Anerkennung als Religionsgemeinschaft. Man reibt sich verwundert die Augen. icht an einen Gott zu glauben will also das Gleiche sein, wie an einen Gott zu glauben? Wäre es da nicht
WNeinfacher, gleich an einen Gott zu glauben?
Das Paradoxe: In diesem Antrag, der sich irrtümlich der religionskritischen Tradition der Aufklärung verpflichtet glaubt, zeigt sich die neue Macht der Religion. Menschen, die der Ansicht sind, dass Gott nicht existiert, wollen wie eine Kirche behandelt werden.
Natürlich spürt man die kritische Provokation gegenüber dem Staat, der über die Anerkennung von Religionsgemeinschaften zu entscheiden hat. s gab immer wieder Versuche, den Status von traditionellen Religionen ironisch infrage zu stellen, indem lächerliche Vorstellungen zur Religion erklärt wurden.
Einige Berühmtheit erlangte ja das „fliegende Spaghettimonster“, das als Parodie auf den Schöpfergott kreiert wurde und sich einer erstaunlichen Beliebtheit erfreut – Rituale und Gebete inklusive. Die Stoßrichtung solcher Aktionen war klar: Die Götter der Religionen sind mindestens so abwegig, absurd und unbeweisbar wie diese Gespenster. Mittlerweile soll es aber Menschen geben, die wirklich an ihr geliebtes Monster glauben. Dann hörte sich der Spaß allerdings auf. Der Antrag der neuen Atheisten auf Anerkennung als Religionsgemeinschaft entbehrt jedoch aller Ironie.
ESie meinen es ernst. Zu attraktiv scheinen die Möglichkeiten der Immunisierung der eigenen Vorstellungen durch das Gewand der Religion, als dass man darauf verzichten könnte. om heroischen Stolz der Aufklärer, die sich der Vernunft verpflichtet fühlten und diese streng vom Glauben trennen wollten, ist nichts mehr zu spüren.
Diese Atheisten geben jenen verständnisvollen Theologen recht, die immer schon behaupteten: Kein Mensch kann ohne Glaube leben, und auch die Wissenschaft ist nur ein solcher. Alles wird zu einem religiösen Gefühl erklärt und damit dem Diskurs entzogen. Die Rationalität dankt ab. Ein Staat, der sich in diesen Fragen neutral verhalten will, hat es nicht einfach. r kann dieses Treiben wohlwollend dulden und damit dem würdelosen Gerangel um die Bevorzugung von Gefühlswelten weiter Vorschub leisten; er kann darauf beharren, dass der Schutz der Religionsfreiheit nicht jeder beliebigen weltanschaulichen Marotte zukommen kann – das zu entscheiden war noch nie einfach; oder er wird streng laizistisch, erklärt religiöse Überzeugungen zur Privatangelegenheit und entzieht ihnen, ausnahmslos, ihren öffentlichen Sonderstatus. Theoretisch müsste der Spuk dann ein Ende haben. Die Wirklichkeit sieht anders aus.
VE