Die hohe Kunst der Veränderung
Stillstand oder nur in eine Richtung gehen? Niemals! Künstler Oswald Oberhuber war ein Universalist, wie er im Buche steht. Er starb im Alter von 88 Jahren in Wien.
Wie das Kunstverständnis eines Oswald Oberhuber auf einen Nenner bringen? Vielleicht gar nicht, und das wäre ganz in seinem Sinne, denn ein Wort beschreibt seine Kunst wohl am besten: Vielfalt (minus Beliebigkeit). Während das Gros der Kunstwelt nach Einzigartigkeit, nach Unverwechselbarkeit strebt, war der Kompass von Oswald Oberhuber von Beginn an anders ausgerichtet: sich nie nur für eine Schiene entscheiden zu müssen. Nun ist der Alleskönner im Alter von 88 Jahren in Wien verstorben.
Der am 1. Februar 1931 in Meran geborene Oberhuber studierte Bildhauerei bei Fritz Wotruba und Willi Baumeister. Er wurde zum Begründer der informellen Kunst in Österreich, formlos und spontan, einfach Oberhuber. Mit 24 Jahren legte er fest, wonach er sich richten wollte: In einem Manifest rief er zur permanenten Veränderung der Kunst auf. Sein Dogma, wiewohl er sich gegen Dogmen querlegte. Also sagen wir besser: der rote Faden seiner Kunst. Um sein künstlerisches Lebenswerk zu veranschaulichen, der Versuch einer Spannweite: 2007 gestaltete er Snowboards, sechs Jahre später den Eisernen Vorhang für die Staatsoper.
Flexibilität war Teil des roten Fadens. Kein Zwang, sich keiner Mode unterwerfen. Sprich: Seine Kunst war Veränderung und seine Veränderung war die Kunst. Ein individueller Ansatz, der mit dem Ruf der Spätmoderne nach kollektiver Flexibilität und maximaler Anpassungsfähigkeit nichts zu tun hat. Ende der 1940er-jahre widmete er sich der informellen Plastik, während er sich fünf Jahre später in der gegenständlichen Malerei wiederfand –
wie etwa in seinen Selbstporträts. Auch bei seinen Werkstoffen gab es keine Berührungsängste: Holz, Bronze, Gips, Karton, Stoff ... sein Material-horizont war auf Weite gepolt. Über 300 Werke waren bei seiner letzten Werkschau im 21erhaus zu sehen, ein Versuch seine Bandbreite auszuloten: Kleiderentwürfe, Collagen, Schriftund Zahlenbilder, Selbstporträts. Ein Universalist de luxe.
So vielfältig wie seine Kunst war sein Beitrag für die Kunstinstitutionen: 1972 nahm er an der Biennale teil, 1977 und 1983 an der documenta. 1973 wurde er Leiter der Galerie nächst St. Stephan und brachte etliche Kapazunder ins Haus – von Joseph Beuys über Gerhard Richter bis zu Franz West. Über viele Jahre prägte er als Leiter die Hochschule für angewandte Kunst. Ganz ohne Schatten kommt auch die schillernde Vita nicht aus: Im Jahr 2000 wurde er wegen widmungswidriger Verwendung von Stipendiengeldern verurteilt.
„Einfach Ossi“nennt Oberhuber-schülerin Eva Schlegel sein Gesamtwerk. Mehr Alleinstellungsmerkmal geht wohl nicht.