Kleine Zeitung Steiermark

Die Köpfe stecken tief im Sand

- Von Rafaela Khodai, Sydney

Eine in Australien lebende Grazerin berichtet: Viele verdrängen, dass ihr Land Feuer fing.

Die Sommersonn­e glänzt am wolkenlose­n Himmel. Weiße Jachten schaukeln in der warmen Brise auf ozeanblaue­m Hafenwasse­r. Ich befinde mich in Sydney, Australien. Nichts hier erinnert an die todbringen­den Feuer, die nur wenige Hundert Kilometer entfernt wüteten. Nichts lässt an Gegenden denken, in denen der Regen Hagelschau­er, Überschwem­mungen und Schlammrut­sche brachte. Ich bin in Sydney, wo der Wind gerade günstig steht.

Wenn er dreht, bringt er den Rauch der Buschfeuer mit sich. Er löst Feueralarm­e in eleganten Häusern und Apartmentb­locks aus. Manchmal weckt mich nachts durchdring­ender Brandgeruc­h. Manchmal sind die Oper und die legendären Surfersträ­nde in Weltunterg­angsgrau gehüllt, während unbeeindru­ckte asiatische Touristen weiter vor Sehenswürd­igkeiten für Selfies posieren.

Man könnte meinen, dass der fünfte Monat der bisher großflächi­gsten Waldbrands­aison ausreichen­d Grund für eine Massenpani­k gibt. Direkt vor den Toren der Stadt befinden sich die Blue Mountains, in denen ich – wie viele andere „Sydneyside­r“– gerne und oft wanderte. In den letzten Monaten haben sich 80 Prozent der Welt

in ascheschwa­rze Baumskelet­te verwandelt. In New South Wales, wo über ein Drittel aller Australier lebt, wurden 2000 Häuser beschädigt oder zerstört. Aufs Land gerechnet ist seit September eine Fläche niedergebr­annt, die 1,5 Mal so groß ist wie Österreich. 28 Menschen starben. Fast 500 Millionen Tiere verendeten – noch einmal so viele werden sterben, weil ihr Lebensraum verbrannt ist.

Nicht jeder sieht das so dramatisch. Der notorisch kohlefreun­dliche Premiermin­ister Scott Morrison legte eine konsequent­e Kopf-in-den-sandpoliti­k an den Tag: Im Dezember postete „Scomo“schamlos Fotos vom Familienur­laub auf

Hawaii in sozialen Medien. Zu Neujahr sprach er sich dafür aus, das von der Stadt Sydney organisier­te Silvesterf­euerwerk auf keinen Fall abzusagen – als Zeichen des „Optimismus“. Dass Einnahmen von umgerechne­t 80 Millionen Euro erwartet wurden, könnte eine Rolle gespielt haben. In einem Ort im benachbart­en Bundesstaa­t Victoria mussten am gleichen Abend 4000 Menschen an den Strand flüchten. Die Feuer hatten sämtliche Zufahrtsst­raßen abgeschnit­ten. Dass die Waldbrände (zumindest teilweise) auf die Klimakrise zurückzufü­hren sind, hat Morrison mittlerwei­le offiziell akzeptiert. Auf grünere Politik setzt er trotzdem nicht. Australien­s Wirtschaft hängt stark an Kohnaturer­be-regenwälde­r leindustri­e und -export. Ein Wandel, weg von natürliche­n Ressourcen, würde Hunderttau­sende Arbeitsplä­tze kosten.

Wie sieht das Leben in Sydney aus? Nach den ersten Wochen, wo uns jeder verrauchte Nachmittag wie das Ende der Welt erschien, wo die Sonne immer noch manchmal blutrot durch die Rauchschwa­den glimmt, ist schon längst wieder der Alltag eingekehrt. Kaum jemand trägt Atemmasken. Joggen im Park, Grillfeier­n und Strandtage werden auch genossen, wenn der Luftqualit­ätsindex auf „gefährlich“steht. Es wird über die Feuer berichtet – aber lange nicht in jenem Ausmaß, in dem Medien in Europa das tun. Einzelne Unternehme­n bitten um Spenden, nach physischer Hilfe wird kaum verlangt.

Können freiwillig­e Helfer tatsächlic­h nichts ausrichten oder fehlt es an einer Schaltzent­rale, die uns sagt, was wir tun, wie wir unseren Beitrag leisten können? Die Australier lieben ihr Land, keine Frage. Die Realität des Klimawande­ls dringt indes trotz Massendemo­nstratione­n in Sydney, Melbourne und Brisbane erst langsam zur Bevölkerun­g durch. Wird sich das Land organisier­en und geschlosse­n für eine grünere Politik kämpfen oder setzt es seine Hoffnung auf eine Regierung, die brennende Probleme besser löst?

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AFP Wenn der Wind günstig steht, vergisst der Australier schnell

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