Kleine Zeitung Steiermark

„20 Jahre sind nicht viel Zeit“

- Von Hannes Gaisch-faustmann

Wienerberg­er-vorstand Mike Bucher sieht das Unternehme­n als ökologisch­en Vorreiter der Baubranche. Die grüne Handschrif­t der Regierung lobt er, doch fordert er rasch konkrete Ideen für deren Umsetzung.

Für die Baubranche war 2019 konjunktur­ell ein gutes Jahr. Auch für Wienerberg­er?

MIKE BUCHER: Für den Ziegel war 2019 so gut wie 2018, sowohl für Wand- als auch für Dachziegel. Der Boom bei Einfamilie­nhäusern hat sich unveränder­t fortgesetz­t. Der Gesamtkonz­ern hat in seinem 200. Jahr ein Rekorderge­bnis erzielt. Die Details kommen aber erst.

Sehen Sie aktuell eine Konjunktur­delle?

Wir gehen davon aus, dass wir 2020 wieder das hohe Niveau erreichen werden. Ende 2020 und 2021 dürfte sich die Konjunktur im Hochbau aber etwas abkühlen.

Im Regierungs­programm steht das Ziel, die Sanierungs­quote von Altbauten wieder auf drei Prozent zu heben. Das müsste Sie freuen.

Drei Prozent Sanierungs­quote würde bedeuten, dass Häuser alle 30 bis 40 Jahre saniert werden. Das klingt vernünftig, aber wir sind weit davon entfernt. Seit einigen Jahren liegt die Quote nur bei 0,7 bis 0,9 Prozent. Im Regierungs­programm sind keine Maßnahmen definiert, doch muss man sich überlegen, wie man das Ziel erreichen kann. macht, Fenster und Fassade zu erneuern, sondern wo ein Abriss und eine Sanierung besser wären. Auch das ist aus unserer Sicht förderungs­würdig.

Ist die Regierung bei den ökologisch­en Themen auf dem richtigen Weg?

Wir sind mit der grünen Handschrif­t sehr einverstan­den. Aber vieles, auf das man sich jetzt stürzen müsste, ist im Programm nicht ausformuli­ert. Ein Ansatz, den wir für sehr wichtig halten, ist die regionale Versorgung mit Baustoffen. Hier würde ich die Förderung für Neubauten an den Herkunftsn­achweis der Baustoffe knüpfen. Damit unterstütz­e ich als Förderer auch die heimische Wirtschaft.

Wie kann die Bauwirtsch­aft die Co2-bilanz verbessern?

Indem man den Fokus nicht nur auf den Herstellun­gsprozess richtet, sondern auf den gesamten Lebenszykl­us der Produkte, ihre Nutzungsda­uer und Wiederverw­ertbarkeit. Für uns war das schon immer ein wichtiges Thema.

Experten sagen, das Artensterb­en sei schwierige­r zu stoppen, als die Co2-thematik in den Griff zu bekommen. Wie gehen Sie mit der Biodiversi­tät um?

Bei der Gewinnung von Baustoffen greift man in die Natur ein. Die Frage ist, wie weit man dabei das Artensterb­en fördert. Es gibt verschiede­ne Methoden der Renaturier­ung und es gibt dabei sorgsame und weniger

sorgsame Unternehme­n. Wir schaffen Biotope dort, wo wir etwas entnehmen.

Türkis-grün tritt mit Ökonomie und Ökologie an. Wie kann die Politik die Wirtschaft bei der Transforma­tion unterstütz­en?

Die Politik kann die Co2-neutrale Produktion fördern, aber es ist auch ein stabiler rechtliche­r Rahmen wichtig, damit Investitio­nen in neue Technologi­en in Österreich getätigt werden. Die Regierung muss aufpassen, dass ihr Programm nicht abschrecke­nd wirkt, sondern die Unternehme­n ermutigt, in diese Bereiche zu investiere­n.

Die Regierung will 2040 schon dort sein, wo andere erst 2050 sein wollen. Zu ehrgeizig?

20 Jahre sind nicht viel Zeit. Wenn man dann noch forschen und entwickeln soll, was wir tun müssen, um die Ziele zu erreichen, braucht es schnell konkrete Ideen vonseiten der Regierung.

2018 haben Sie der Marke Tondach attestiert, dass sie mehr Pfiff brauche. Nun präsentier­te Wienerberg­er einen vom Studio F. A. Porsche designten Dachziegel. Was erwarten Sie sich davon?

Die ersten Dächer mit dem V11dachzie­gel haben sich schnell verkauft, obwohl wir jetzt erst in die Vermarktun­g gehen. Wir verspreche­n uns einen gewissen Schub, weil es das erste Mal ist, dass ein Dachziegel­hersteller mit einem Designer zusammenar­beitet.

Warum erst jetzt?

In den vergangene­n 120 Jahren haben sich regionale Dachkultur­en entwickelt, die nun aber in ganz Europa heimisch sind. Das Ergebnis ist, dass die Sortimente der europäisch­en Hersteller alle ähnlich sind. In all den Jahren hat es kaum Innovation­en gegeben. Bei modernen Einfamilie­nhäusern sind Dachfläche und Fassade dominant und da ist uns ein Designstat­ement wichtig. Mit dem V11 haben wir den German Design Award gewonnen, das macht uns schon stolz.

Ist das Design auf dem Dach für jeden leistbar?

Es ist kein Eliteprodu­kt. Ein Dach kostet mit allem Drum und Dran im Schnitt 35.000 Euro. Die Mehrkosten für den V11 belaufen sich auf 1000 Euro.

Wienerberg­er kooperiert mit einem australisc­hen Entwickler von Bauroboter­n. Wann sehen wir Roboter auf heimischen Baustellen?

Es laufen gerade die ersten Feldversuc­he auf australisc­hem Boden, dort ist der Roboter schon an der Baustelle, mauert Häuser, und das funktionie­rt sehr gut. Ich kann noch nicht sagen, wann ein Bauroboter in Österreich im Einsatz sein wird.

Werden Roboter in der Lage sein, ein Haus allein zu mauern?

Das wird möglich sein. Es muss jemand den Roboter mit dem Plan befüllen und beaufsicht­igen. Doch alles, was der Maurer heute macht, kann dann der Roboter auch.

Wann wird das der beim Hausbau sein?

Standard

Da möchte ich mich nicht aus dem Fenster lehnen. Es ist relativ bald möglich und wir haben das Problem der Arbeitskrä­fteknapphe­it. Ich hatte 2019 mehrere Anrufe von Baumeister­n, die nach dem Roboter gefragt haben, weil ihnen eine Partie Maurer ausgefalle­n ist. Baustellen werden sich immer weiter technisier­en. Eine andere Variante ist, stärker in die Vorfertigu­ng einzusteig­en, also mit der fertigen Wand zur Baustelle zu kommen, das machen wir bei einem Werk in Bayern. Auch dort ist ein Roboter im Einsatz.

Das frühere Ziegelwerk Brenner in St. Andrä in Kärnten, das 2018 zu Wienerberg­er gekommen ist, gilt als Digitalisi­erungs-vorreiter.

Das ist so. Wir haben versucht, etwas Mustergült­iges daraus zu machen. Im Werk werden viele Kennzahlen automatisc­h gemessen. Das beginnt bei der exakten Aufbereitu­ng und Mischung von Rohstoffen und reicht über den Produktion­sprozess bis zum Energiever­brauch. Alle Werte sind per App auch von außerhalb abzulesen. Wir haben das Werk an jeder Stelle, wo es sinnvoll ist, digitalisi­ert, um wichtige Informatio­n just in time verfügbar zu haben.

 ??  ??
 ??  ??
 ?? BALLGUIDE, WIENERBERG­ER (4) ?? Mike Bucher, seit 2018 Chef von Wienerberg­er Österreich
BALLGUIDE, WIENERBERG­ER (4) Mike Bucher, seit 2018 Chef von Wienerberg­er Österreich
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria