Weil Sprache der Schlüssel ist
Seit fast fünf Jahren gibt eine Gruppe pensionierter Ahs-lehrerinnen im Begegnungszentrum Graz-süd Geflüchteten zweimal die Woche ehrenamtlich Deutschunterricht.
Nein, mit klassischem Schulunterricht lasse sich das nicht mehr vergleichen, schüttelt Dorli Selenko den Kopf. „Hier müssen wir sehr flexibel sein und uns immer wieder auf Neues einlassen. Und es kann passieren, dass einer deiner Schüler von heute auf morgen nicht mehr da ist.“Selenko gehört zu einem engagierten Team pensionierter Ahs-lehrerinnen, die Asylwerbern im Begegnungszentrum Graz-süd (eine Initiative der Diözese) Deutschunterricht geben.
Sechs Lehrerinnen plus „Einspringerinnen“vermitteln Geflüchteten seit 2015 jeweils montags und donnerstags in einer Doppelstunde auf drei verschiedenen Leistungsniveaus Deutsch als Fremdsprache. „Es ist noch nie ein Kurs ausgefallen“, sagt Elisabeth Fleischmann stolz. Die langjährige Direktorin des Gibs koordiniert die Unterrichtsstunden und hat dabei ein System etabliert, in dem die Lernfortschritte der Teilnehmer protokolliert werden. Deren Herkunftsländer reichen von Afghanistan über Syrien, dem
Irak und dem Iran bis zu ehemaligen Sowjetrepubliken. Zu Spannungen komme es trotz der bunten Mischung kaum, so die Lehrerinnen: Das gemeinsame Ziel eint.
„Wir haben in erster Linie Leute, die noch im Asylverfahren stecken“, sagt Ulrike Turbain. Manche warten seit vielen Jahren auf den Bescheid, die Unsicherheit hemme oft auch den Erfolg beim Spracherwerb. „Wer weiß, dass er hierbleiben kann, arbeitet mit einer anderen Intensität“, erklärt Fleischmann. Die ehemaligen Pädagoginnen haben aber das Gefühl, dass ihre erwachsenen Schülerinnen und Schüler gern in den Kurs kommen. Dieser gebe den Menschen auch die Möglichkeit, ihren Alltag aufzuwerten und zu strukturieren. Den teilnehmenden Frauen wird zudem die Betreuung ihrer Kinder während des Unterrichts angeboten. ie Lehr- und Arbeitsbücher werden über Spenden finanziert und nach Möglichkeit weiterverwendet. Für ihre Arbeit verlangen die pensionierten Pädagoginnen kein Geld.
DWas treibt sie an? „Der Bedarf an Deutschkursen für Flüchtlinge ist so hoch, da muss man was tun“, findet Turbain. „Als 2015 die große Flüchtlingswelle einsetzte, war da ein Gefühl der Hilflosigkeit“, erinnert sich Selenko.
Über die Fluchtgeschichten ihrer Schützlinge erfahren die Pädagoginnen nur am Rande, wenn etwa im Unterricht über Heimat oder Familie geredet wird. Kommt es zu Abschiebungen, geht das dem Lehrerteam nahe – auch wenn die Sachlage rechtlich eindeutig ist. „Diese Schicksale bekommen dann ein Gesicht“, sagt Selenko.
Immer wieder suchen die Teilnehmer auch Rat bei den Lehrerinnen. Wo es ums Fremdenrecht geht, können die Damen aber nicht viel ausrichten. Fleischmann: „Wir haben aber Kontakte, die wir dann vermitteln.“Wilfried Rombold
Elisabeth Fleischmann, Eva Linhart, Ulla Turbain, Dorli Selenko, Ingrid Fuchs, Monika Fadinger,
Eva Rieger.
Jonas Pregartner