Forscherglück mit einem Erschlagenen
Wie klärt man einen Mord auf, der vor 8800 Jahren in der
Mittelsteinzeit verübt wurde? Anthropologin Silvia Renhart bringt Licht in den Fall des ältesten Mordopfers Österreichs.
sammen. „Dabei sah ich einen ungewöhnlichen Einbruch der Schädeldecke, von dort wiederum gingen zahlreiche Bruchstellen aus.“Das weckte den Instinkt der Anthropologin, die meint, dass man in ihrem Beruf „schon eine kleine kriminalistische Ader braucht“. Nach der Begutachtung eines damals verwendeten Werkzeugs, dessen Form exakt zur Verletzung des Opfers passte, stand für sie fest: „Der Wöllersdorfer musste wohl mittels eines Steinbeils durch massive Schläge gewaltsam zu Tode gekommen sein.“
Die Bandbreite der bei dieser Mordaufklärung verwendeten wissenschaftlichen Methoden reichte von der Radiokarbondatierung (C14-methode) bis zur Anfertigung medizinischer Ctscans des Schädels, von der digitalen 3D-daten-aufbereitung zur Entwicklung maßstabgetreuer 3D-modelle über die Rekonstruktion der Verletzungsmechanismen bis hin zur Gesichtsweichteilrekonstruktion. „Das Alter mit 31 bis 40 Jahren bestimmte ich etwa durch Rückschlüsse auf den Körperbau und die Abnützung der Zähne“, so die 57-jährige Mutter zweier Kinder. Ihre These wurde untermauert durch eine neue Methode der Lebensalterschätzung, die auf der Berechnung von zu- oder abnehmenden Modifikationen von Proteinen im Knochen beruht.
Die Weststeirerin, die in Voitsberg maturierte und in Wien ihren Doktor machte, zog es für diverse Projekttätigkeiten zwischen 1995 und 2005 nach Südtirol. Dabei machte sie auch persönlich Bekanntschaft mit dem berühmten Gletscherfund Ötzi, „der ja nicht ausgegraben, sondern aufgetaut wurde“. 2008 übernahm Renhart die Geschäftsführung der Volkskultur Steiermark, später wurde sie pädagogische Leiterin des Bildungshauses Schloss St. Martin, ehe sie 2016 in der Abteilung Archäologie und Münzkabinett am Universalmuseum Joanneum andockte. bendort bearbeitete Silvia Renhart neben dem Fall Wöllersdorf auch jenen des ältesten Burgenländers (Fundort Pöttsching) – auch dieser Mann wurde ermordet. „Die jüngsten Ergebnisse machen einen beinahe sprachlos“, fasst die Weststeirerin zusammen. „Weil man durch die Rekonstruktionen endlich unseren Vorfahren quasi ins Antlitz schauen kann.“Schlussendlich sei es aber doch auch „Forscherglück gewesen, dass man just einen Erschlagenen erwischt“.
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