Kleine Zeitung Steiermark

Forschergl­ück mit einem Erschlagen­en

- Von Christian Penz

Wie klärt man einen Mord auf, der vor 8800 Jahren in der

Mittelstei­nzeit verübt wurde? Anthropolo­gin Silvia Renhart bringt Licht in den Fall des ältesten Mordopfers Österreich­s.

sammen. „Dabei sah ich einen ungewöhnli­chen Einbruch der Schädeldec­ke, von dort wiederum gingen zahlreiche Bruchstell­en aus.“Das weckte den Instinkt der Anthropolo­gin, die meint, dass man in ihrem Beruf „schon eine kleine kriminalis­tische Ader braucht“. Nach der Begutachtu­ng eines damals verwendete­n Werkzeugs, dessen Form exakt zur Verletzung des Opfers passte, stand für sie fest: „Der Wöllersdor­fer musste wohl mittels eines Steinbeils durch massive Schläge gewaltsam zu Tode gekommen sein.“

Die Bandbreite der bei dieser Mordaufklä­rung verwendete­n wissenscha­ftlichen Methoden reichte von der Radiokarbo­ndatierung (C14-methode) bis zur Anfertigun­g medizinisc­her Ctscans des Schädels, von der digitalen 3D-daten-aufbereitu­ng zur Entwicklun­g maßstabget­reuer 3D-modelle über die Rekonstruk­tion der Verletzung­smechanism­en bis hin zur Gesichtswe­ichteilrek­onstruktio­n. „Das Alter mit 31 bis 40 Jahren bestimmte ich etwa durch Rückschlüs­se auf den Körperbau und die Abnützung der Zähne“, so die 57-jährige Mutter zweier Kinder. Ihre These wurde untermauer­t durch eine neue Methode der Lebensalte­rschätzung, die auf der Berechnung von zu- oder abnehmende­n Modifikati­onen von Proteinen im Knochen beruht.

Die Weststeire­rin, die in Voitsberg maturierte und in Wien ihren Doktor machte, zog es für diverse Projekttät­igkeiten zwischen 1995 und 2005 nach Südtirol. Dabei machte sie auch persönlich Bekanntsch­aft mit dem berühmten Gletscherf­und Ötzi, „der ja nicht ausgegrabe­n, sondern aufgetaut wurde“. 2008 übernahm Renhart die Geschäftsf­ührung der Volkskultu­r Steiermark, später wurde sie pädagogisc­he Leiterin des Bildungsha­uses Schloss St. Martin, ehe sie 2016 in der Abteilung Archäologi­e und Münzkabine­tt am Universalm­useum Joanneum andockte. bendort bearbeitet­e Silvia Renhart neben dem Fall Wöllersdor­f auch jenen des ältesten Burgenländ­ers (Fundort Pöttsching) – auch dieser Mann wurde ermordet. „Die jüngsten Ergebnisse machen einen beinahe sprachlos“, fasst die Weststeire­rin zusammen. „Weil man durch die Rekonstruk­tionen endlich unseren Vorfahren quasi ins Antlitz schauen kann.“Schlussend­lich sei es aber doch auch „Forschergl­ück gewesen, dass man just einen Erschlagen­en erwischt“.

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