Super-g ohne Ski: Im Laufschritt zur Erschöpfung
Eine Skipiste durch einen ausgesteckten Kurs so schnell wie möglich nach unten laufen. In der Gaal fand die Weltpremiere dieses Rennformats statt. Nichts für scheue Schenkel.
Irgendwo im Steilhang gewinnen plötzlich die Fliehkräfte die Überhand: Rutsch. „Aaahh!“Überschlag. Am Hosenboden geht es die nächsten Meter Richtung Tal, bevor die Schuhe wieder Halt finden. Aufrappeln. Weiterlaufen. Das Herz schlägt längst im Hochfrequenzbereich. Die Oberschenkel brennen. Noch 700 Meter bis ins Ziel.
Man hätte die Tipps von Renate Götschl beherzigen sollen. „Da darfst keine Scheu haben!“, hat die zigfache (und als Murtalerin ortskundige) Skiweltcupsiegerin einen eindringlichen Verhaltenskodex für die Schlüsselstelle der Fis-piste in Gaal geliefert. Gilt scheinbar auch ohne Ski. Denn die Dochtorkelnden
hat mich jetzt mit einem Schulterwurf in den Schnee katapultiert. So eine Weltpremiere fordert eben ihre Opfer. Denn das im (Lauf-)rennenglisch „Snowtrail Downhill“genannte Vollgasbergabkoffern ist die global erste Laufveranstaltung dieser Art. Ausgedacht hat sie sich Norbert Wastian. Der Obersteirer hat selbst einige Tausend Laufkilometer in den Wadln. So etwas wie dieses in Super-g-artiger Falllinie gesteckte Bergabspektakel auf einer präparierten Skipiste brennt sich aber auch bei ihm als Premiere in die Muskeln. as nämlich alle rund 40 Teilnehmer unterschätzt haben: wie anstrengend so ein Sprint über 1,5 Kilometer und rund 400 Höhenmeter sein kann – selbst wenn es nur talwärts geht. Die Antwort? Unglaublich anstrengend!
„Die Bedingungen sind aber wirklich extrem“, liefert Florian Grasel, einer der besten Trailrunner Österreichs, eine Erklärung, irgendwo zwischen Trost, Ausrede und Entschuldigung. Tatsächlich hat der offensichtlich karrierehungrige Frühling die Piste weich und tief gemacht. Jeder Schritt ein Aben
W„Schneeketten“für Laufschuhe
teuer: Hält einen die Schneedecke oder versinkt man knöcheltief im Firn? Die einzige Konstante bei wechselnden Bodenbedingungen ist der hohe Kraftverbrauch, der aus den Oberschenkeln spätestens am Ende des Steilhangs verhärtete Stolperstelzen macht.
„Unten raus die letzten Kräfte sammeln“, hatte „Speedqueen“Renate Götschl vor dem Start geraten. Klingt gut. Gelingt schlecht. Da sind nämlich keine „letzten Kräfte“mehr vorhanden, die einzusammeln wären. Dafür wären da ein im roten Drehzahlbereich oszillierender Puls, ein kettenraucher-ähnliches Keuchen, wild herumrudernde Arme, die dem Dahinscheu
Stabilität schenken soll(t)en, und ein Grinsen im Gesicht. Es ist nämlich bei aller Anstrengung eine Riesenhetz. ie dauert im persönlichen Fall je Durchgang knapp über fünf Minuten. Die Besten haben es eiliger. Christof Grossegger hechtet im ersten Lauf nach gerade einmal 3:47,63 Minuten durchs Ziel. Er gewinnt nach zwei Durchgängen (Gesamtzeit: 7:42,72) am Ende vor Florian Grasel und David Edlinger. Die Damen-wertung entscheidet Martina Walch (11:18,81) vor Alice Zenz und Cordula Kühn für sich. Und Renate Götschl? Muss mir für nächstes Jahr das mit der Scheu noch einmal erklären ...
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