Kleine Zeitung Steiermark

„Es ist nicht mehr Panik, sondern Stolz“

Dieter Bornemann auf „Dunklen Wegen“in Galerie Marenzi.

- Von Christian Penz

Gernot Resch, gefragter Musikprodu­zent, wirkte an der Entstehung von rund 50 Eav-songs mit. Dann, völlig unvermitte­lt, der Wendepunkt: Nach einer Panikattac­ke schaffte es der Grazer zehn Jahre lang nicht, vor seine

Wohnungstü­r zu treten. Jetzt kämpft er sich Schritt für Schritt zurück.

IGeboren ist er in Graz. „Als 1967er war man ein eigenartig­er Jahrgang. Vorher und nachher waren nur starke Jahre – 66 ging ‚Star Trek‘ auf Sendung, 69 waren die Mondlandun­g und Woodstock. 1967 war ich die einzige Attraktion“, rechnet Gernot Resch vor. Musiker wollte er schon immer werden.

„Mein Traum war, auf der Bühne zu stehen. Und die Menge vor mir übernimmt von selbst meinen Gesangspar­t, ich muss sie nur noch begleiten.“Begonnen hat er am Klavier. „Das hat der Großvater beim Pokern gewonnen.“Dann der Einstieg ins Business. „Mit 13 hatte ich die erste Combo. Später, zur Hochblüte der Samples in den 80ern, arbeitete ich schon im Studiobere­ich.“Die Overdubs von Resch („Ich fettete damit den Sound der Bands auf“) waren bis nach Düsseldorf gefragt, wo er gar einmal den Klang einer jungen Band namens Die Toten Hosen aufmotzte.

Resch nahm Jobs bei Soundtüftl­er Andi Beit an, dabei folgte der Erstkontak­t zur Ersten Allgemeine­n Verunsiche­rung. „Ein Eav-album, das nur in mono aufgenomme­n worden war, sollte digitalisi­ert werden. Um einen Stereoklan­g zu erreichen, der nicht vorhanden war, spielte ich jeden Ton des Albums alnach.“Das Ergebnis überrascht­e Eav-texter Thomas Spitzer, der sich wunderte, wie viele Leute das denn neu eingespiel­t hätten. „Das war nur der Resch“, erklärte ihm Beit. Fortan intensivie­rte sich die Zusammenar­beit mit der Erfolgspar­tie, was schlussend­lich Produzent Resch Gold- und Platinausz­eichnungen einbrachte. „Insgesamt habe ich, um im Eavjargon zu bleiben, an rund 50 Songs mitgewürgt.“

2003 Ende des Erfolgslau­fs. Plötzlich und unvermitte­lt. Gernot Resch erlitt beim Autofahren eine Panikattac­ke. „Du hast das Gefühl, du musst jetzt sterben. Als ob du in einem Tunnel bist.“Der Grazer kam ins Krankenhau­s. „Mein Körper reagierte auf die vielen verschiede­nen Medikament­e. Ich bekam wilde Wahnvorste­llungen, konnte Muskeln und Körper nicht mehr bewegen, mein Körper erstarrte. Nach fünf Tagen dort war ich kaputt.“Seine Hausärztin holte ihn aus dem Spital. Aber nichts ging mehr – posttrauma­tische Belastungs­störung mit dissoziati­ven Schüben.

V„Es war ein Horrortrip inklusive Todesangst. Es verschlimm­erte sich laufend. Ich hatte Ohnmachtsa­nfälle.“Resch zog sich in seine Wohnung zurück. Zehn lange Jahre. War in seinen vier Wänden praktisch gefangen. „Rausgehen konnte ich nicht mehr.“Warum? „Die Angst, dass ich draußen umkippe. Und dass dann irgendwer die Rettung holt, ich ins Spital komme und wieder Medikament­e bekomme.“Die Schulmediz­in habe ihn 2010 aufgegeben, sagt er. „Das wollte ich aber nicht glauben, es nicht akzeptiere­n, dass für mich keine Heilung in Aussicht steht.“Resch ackerte sich durch 300 Bücher. „Zeit dazu hatte ich. Ich schaffte es ja eh nicht, aus der Wohnung rauszugehe­n.“Selbst herauszieh­en aus dem Sumpf wollte er sich. „Sonst konnte mir ja keiner mehr helfen.“Resch hat sich selbst seine eigene Therapie gezimmert. „Ohne Medikament. Ich musste Mitgefühl zu mir selbst aufbauen, damit die Angst keine Chance mehr hat durchzukom­men.“Er stärkte sein Selbstwert­gefühl. Im Prinzip sei es nichts anleine deres gewesen, als Frieden mit sich selbst zu schließen. Es ging darum, die eigenen Ressourcen zu nützen, auch mit Mentaltrai­ning und Meditation. „Ich lasse mich nicht von Angst, Neid und Missgunst mitreißen. Ich konzentrie­re mich auf das Wunderbare.“Davon berichtet Resch auf seiner neuen CD „Die Leut’“und online auf www.embracethe­world.at. Das Wunderbare mag für andere „Leut’“lediglich Alltäglich­es sein. Für Resch sind es Meilenstei­ne. „Ich habe es erst im Dezember geschafft, zum Billa zu gehen.“Auch zum Chinesen ging er speisen. „Die Kellnerin hat gefragt, warum ich weine. Ob denn das Essen so schlecht war. Ich habe ihr aber erklärt, dass alles passt, es für mich nur das beste chinesisch­e Essen seit zehn Jahren war.“

Illusionen gibt sich Resch (52) trotzdem keinen hin. Er verklärt die Lage nicht, redet nichts schön. „Es gibt gute Tage. Aber die schlechten sind nicht verschwund­en.“Sein Rezept? „Ich schalte Sachen frei für mich im Leben. Sachen, die jahrelang weg waren. Und wenn ich dann im Supermarkt bin, fühle ich mich wie Neil Armstrong. Es ist nicht mehr Panik, sondern Stolz.“Es gehe nur Schritt für Schritt. „Wie bei der Mondlandun­g 1969.“Nur Woodstock ist es noch nicht. „Aber vielleicht komme ich meinem Traum jetzt näher.“Jenem mit der Bühne und dem singenden Publikum.

Vielleicht stimmt die Menge ja bald in den Chor ein: „Und ich frag mich unterm Strich: warum – warum gerade ich?“

R

Fotograf und Journalist Dieter Bornemann, in Graz geboren, aber in Leibnitz aufgewachs­en, stellt derzeit in seiner alten Heimat aus. In seiner aktuellen Ausstellun­g „Dunkle Wege/ Dunkle Gedanken“in der Galerie Marenzi beschäftig­t er sich mit der Volkskrank­heit Depression.

Die fotografis­che Umsetzung dieser noch tabuisiert­en Form einer psychische­n Erkrankung soll aufklären und auf Hilfsmögli­chkeiten hinweisen. Zu sehen ist die Ausstellun­g bis 29. Februar. Öffnungsze­iten: Samstag 10 bis 14 Uhr oder nach Vereinbaru­ng (0664/17 39 219).

 ??  ??
 ?? PENZ (2) ?? Für seine Arbeit mit der EAV wurde Resch mit Platin geadelt
PENZ (2) Für seine Arbeit mit der EAV wurde Resch mit Platin geadelt
 ?? KK ?? Dieter Bornemann (2. von rechts) stellt derzeit in Leibnitz aus
KK Dieter Bornemann (2. von rechts) stellt derzeit in Leibnitz aus

Newspapers in German

Newspapers from Austria