Wien-lastigkeit und regionale Vielfalt
Die Verjüngung der ZIB 1 ist ein richtiger Schritt zur richtigen Zeit. Doch das Standbein der Orf-landesstudios benötigt zugleich eine deutliche Stärkung.
Perfektes Timing: Der ORF teilte just zur Auszeichnung von Tobias Pötzelsberger als „Journalist des Jahres“mit, dass ab Ostern die ZIB 1 mit ihm ein neues Gesicht haben und ein anderes Gewand tragen werde. Das ist eine Ansage zur Verjüngung. Denn im Alter des Publikums – im Schnitt 60 plus – liegt der einzige Reformbedarf der ZIB 1. Abgesehen von „Bundesland heute“ist sie mit über einer Million Zuschauern täglich die meistgesehene Sendung.
Doch neben dieser Stabilität hat die ZIB 2 enorm zugelegt. Das liegt auch an einer Entwicklung ähnlich von Printmedien. Je weniger Tageszeitungen die Erstverkünder von Nachrichten sind, desto mehr Elemente bieten sie, die einst Magazinen vorbehalten schienen. Von der opulenten Bebilderung über die umfangreiche Reportage bis zum großen Interview – dem Kern der ZIB 2. Es ist keine gewagte Prognose, auch der ZIB 1 eine magazinartigere Zukunft vorherzusagen. Dafür hat Orf-general Alexander Wrabetz auch den Veränderungszeitraum gut gewählt. Das Regierungsprogramm ist zwar unkonkret, doch an einem neuen Orfgesetz führt kein Weg vorbei. Es wird ehestens im Herbst spruchreif. Zudem muss sich der Stiftungsrat nach der türkis-blauen Koalition erst konstituieren. Er wird dann fast absolut von Övp-entsandten dominiert. Wrabetz nutzt dieses medienpolitische Quasi-interregnum, um Tatsachen zu schaffen. Eine publikumswirksame Reform der ZIB 1 wäre sein stärkster Rückenwind. as lässt befürchten, dass der Reformauftrag in den Hintergrund gerät. Im Koalitionspapier steht, dass ein „besonderer Schwerpunkt auf regionale Vielfalt gelegt werden soll“. Diese Notwendigkeit unterstreicht soeben der „Journalismus-report“. Demnach leben 56 Prozent der Journalisten in Wien. Dieses Übermaß zeichnet ein Zerrbild der Republik. Denn der Standpunkt entscheidet den Blickwinkel. Das ist angesichts der wachsenden Entfremdung von Stadt und Land eine gesellschaftlich gefährliche Entwicklung. Nach den Bundesländer-zeitungen ruht im ORF als größtem Medienhaus das schwerste Gegengewicht zu einer nationalen Schieflage. Dazu muss er aber das Verhältnis der Zentrale zu den Filialen neu austarieren. Die Landesstudios brauchen mehr Programm, mehr Ressourcen und mehr Kompetenz.
Medienberater Peter Plaikner
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