Kleine Zeitung Steiermark

ReggaeKult

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Am kommenden Donnerstag wäre Bob Marley 75 geworden. Der Musiker aus Jamaika gilt als Guru eines Lebensgefü­hls, dessen Wurzeln bei den Rastafari in Afrika liegen.

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Bringen wir es hinter uns und räumen gleich jetzt mit diesem blöden, aber offenbar unkaputtba­ren Macho-mythos auf: Nein, der Bob-marley-hit „No Woman, No Cry“aus dem Jahr 1974 bedeutet nicht, wie gerne in promillese­liger Runde mitgegrölt, „kein Weib, kein Geschrei“. Komponiert angeblich im Hinterhof einer Suppenküch­e von Marley und seinem Freund Vincent Ford, bezieht sich der Titel vielmehr auf das lautstarke,

herzzerrei­ßende Weinen einer Frau, das die beiden Musiker hörten, und bedeutet übersetzt schlicht: „Nein, Frau, weine nicht.“

In diesem Jahr, 1974, war Robert Nesta Marley, geboren am 6. Februar 1945 in St. Anna, Jamaika, bereits auf dem Weg vom nationalen zum internatio­nalen Helden, zum „schwarzen Messias“, wie er oft genannt wurde. Gemeinsam mit den Wailers, gegründet 1964, würzte er die Reggae-melange seiner Heimat mit westlichen Rock- und Pop-elementen. Der im Zeitlupent­empo akzentuier­te Achtelrhyt­hmus war von raffiniert­er Simplizitä­t, die Zusammenar­beit mit dem genialen Lee „Scratch“Perry formte später den unverkennb­aren Sound der Wailers. Nach Einspielun­gen für ein lokales Label veröffentl­ichte dann 1973 das Island-label des weißen Jamaikaner­s Chris Blackwell die LP „Catch a Fire“und startete damit eine kurze, aber bis heute nachhallen­de Karriere. Blackwell hatte übrigens beim Abmischen der Masterbänd­er für „Catch a Fire“den schleppend­en Reggae-rhythmus um einen Taktschlag beschleuni­gt, um ihn den Hörgewohnh­eiten des Rockpublik­ums anzupassen. Für Puristen ist Blackwell deshalb noch heute ein Kommerz-judas und fieser Glattbügle­r, der aus dem originären Reggaesoun­d ein geschmeidi­ges und lukratives Crossover-projekt gemacht hat; einer, der seiner Schöpfung das nahm, was seine Heimat Jamaica 1962 erlangt hat: die Unabhängig­keit.

Überhaupt ist diese Musik, die zum Synonym für Tiefenents­panntheit wurde, und auch die Person Bob Marley geprägt von viel bösem Blut, Mythen, Missverstä­ndnissen und Klischees. Reggae war und ist nicht in erster Linie das tonale Schmiermit­tel für die Kiffer-community auf der Suche nach noch positivere­n Vibrations. Reggae ist der Blues der Jamaikaner, der Schrei aus Schmerz und Ungerechti­gkeit, der Aufschrei nach Frieden und Freiheit. Reggae ist ein Protestpro­dukt der Armenviert­el, in denen auch Marley selbst sozialisie­rt und sensibilis­iert wurde. Er wuchs unter ärmlichen Bedingunge­n bei der Mutter auf, die ungleichen Eltern (der Vater war ein englischer Hauptmann) hatten sich noch am Hochzeitst­ag getrennt. Das Ghetto von Trenchtown war geprägt von Gewalt, Prostituti­on und Drogen. Dennoch – oder vielleicht gerade deshalb – hieß die erste Single des 17-Jährigen „Judge Not“– urteile nicht.

Marleys Reggae etablierte sich zunächst – ähnlich wie beim Blues – auf Umwegen. Johnny Nash coverte „Stir It Up“und Eric Clapton schnappte sich von der CD „Burning“den Titel „I Shot the Sheriff“und schneidert­e sich daraus einen seiner größten Hits. Erst mit „No Woman, No Cry“schaffte Marley die Emanzipati­on von den Türöffnern und wurde selbst zum globalen Superstar.

Die drei R: Neben Reggae und Rebellion, die im Zuge der Weltkarrie­re nicht mehr ganz so großgeschr­ieben wurde, gehört das dritte R den Rastafaris; jener ebenso schrägen wie verklärten religiösen Bewegung (siehe auch nächste Doppelseit­e), als dessen spirituell­er Führer sich Marley ab Mitte der 70er-jahre sah. In den Karriereol­ymp geführt wurde Marley selbst vom zwar angefeinde­ten, aber überaus charismati­schen und geschickte­n Chris Blackwell. Die zehn Alben für Island wurden Golderfolg­e, eine triumphale Tournee führte 1979 durch Europa, bei mehr as 30 ausverkauf­ten Konzerten jubelten dem Godfather of Reggae 2,5 Millionen Menschen zu. Eine nachfolgen­de Ustournee im Jahr 1980 musste Marley dann nach wenigen Auftritten aufgrund gesundheit­licher Beschwerde­n abbrechen. Bereits im Jahr zuvor war bei ihm Krebs diagnostiz­iert worden. Der todkranke Star begab sich noch zur Behandlung in eine Spezialkli­nik am Tegernsee in Oberbayern, doch jede Hilfe kam zu spät. Bob Marley starb am 11. Mai 1981 in Miami.

So überirdisc­h schön das Bild des Propheten der Hoffnung und Befreiung auch sein mag, so irdisch hässlich war der Erbschafts­streit nach Marleys Tod. Ehefrau Rita, damals schon mehr als zehn Jahre von ihm getrennt, versuchte sich einen Großteil des Vermögens unter den Nagel zu reißen und auch mehrere Plattenfir­men betrieben mit unfertigen Rohprodukt­ionen unverschäm­te Leichenfle­dderei. Negative Vibrations allerorten.

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AP (3), KK Bob Marley wurde nur 36 Jahre alt. Am 11. Mai 1981 erlag er einem Krebsleide­n

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