Der Kampf um die Gleichberechtigung
Es wäre eine klassische Millionenshow-frage: Welcher Mann steht im Zentrum der Rastafari-bewegung. Kleiner Tipp am Rande: Nehmen Sie nicht Bob Marley. Zugegeben, der Musiker wurde in den 1970er-jahren zum Aushängeschild der Rastafari-bewegung – und doch ist er es nicht. Richtige Antwort: der ehemalige äthiopische König Haile Selassie. Das mag für nicht wenige ein bisschen überraschend kommen. Ein König und Rastafari? Ist das denn nicht irgendwie ein bisschen Bob Marley, ein bisschen Reggae und Chillen mit pflanzlicher Inhalationsware? Ja, auch, aber das ist die Light-version der Rastafaris. „Sowohl Bob Marley als auch die Rastafaris sind bei uns das totale Klischee“, so der Kulturanthropologe Werner Zips von der Uni Wien, der bereits zwei Bücher über die Rastafaris, kurz Rastas genannt, geschrieben hat. Schon in den 1920er-jahren ist die Bewegung in
Jamaika entstanden. Treibende Kraft war der Jamaikaner Marcus Garvey, ein Anhänger der panafrikanischen Idee. Seine Vision von einem afrikanischen Herrscher wurde mit der Krönung des äthiopischen Königs Haile Selassie 1930 Wirklichkeit. „In Jamaika war zu dieser Zeit die Sklaverei zwar abgeschafft, aber das war weniger als ein Jahrhundert her. Theoretisch gab es damals noch Menschen, die als Sklaven geboren worden sind. Es ging also darum, aus dem Sklavendasein zur Menschenwürde zurückzufinden“, so Zips. Selassie sei jene Identifikationsfigur gewesen, die das ermöglicht hätte, zumal Äthiopien ein nicht kolonialisiertes Land gewesen sei.
Reggae, Dreadlocks und Marihuana: damit werden die Rastafaris meist in Verbindung gebracht. Doch die Bewegung ist weit mehr als nur ein klischeeüberladenes Lebensgefühl.
Nicht zuletzt sahen die Rastafaris, die sich in ihrem Ursprung auch auf Teile der Bibel beziehen, in Haile Selassie einen auf Erden wandelnden Gott. Auch der Name Rastafari leitet sich vom Prinzennamen Haile Selassies ab: Lija Ras Täfärí. Längst gibt es jedoch viele unterschiedliche Strömungen innerhalb der Rastafaris, so Zips: „Selassie ist ein historisches Symbol. Äthiopien steht ja für Afrika als Gesamtes, steht für den Beginn der Entkolonialisierung und insgesamt für die anerkannte Stellung von Schwarzen.“Genau das hat den Kulturanthropologen schon immer an
den Rastafaris interessiert.
Dafür muss man jedoch in die 1970erjahre zu Bob Marley zurückgehen: „Es gab weltweit keine Bewegung, die diese Gerechtigkeitsdebatte schon zu diesem Zeitpunkt so vertreten hat wie die Rastas im Reggae. Gleiche Rechte und Gerechtigkeit, also das, was ein halbes Jahrhundert später quasi die Lösung aller möglichen sozialen Themen ist, das war damals schon angelegt“, wie Werner Zips erklärt.
Doch nicht alle Rastafaris stoßen hier ins selbe Horn, gilt doch die ursprüngliche Bewegung nicht nur als streng patriarchalisch geprägt, sondern auch als schwulenfeindlich. Letzteres dominiert weiterhin die Musikrichtung Dancehall. Zips sieht jedoch gerade in der Musik Veränderungen und hebt hier unter anderem den Künstler Taj Weekes hervor, der sich mit seinen Texten explizit gegen Schwulenfeindlichkeit stellt. Auch sieht er generell eine Modernisierung innerhalb der sehr vielfältigen Rastafari-communities, in der immer öfter auch Frauen die Veränderung vorantreiben würden. Und er sieht Berührungspunkte mit der Umweltbewegung: „Nachhaltigkeit und Genügsamkeit, alles, was wir jetzt unter post-growth, also nach dem Wachstum, verstehen, haben die Rastafaris vor 50 Jahren in die Welt gesetzt.“