Kleine Zeitung Steiermark

Der Kampf um die Gleichbere­chtigung

- Von Susanne Rakowitz

Es wäre eine klassische Millionens­how-frage: Welcher Mann steht im Zentrum der Rastafari-bewegung. Kleiner Tipp am Rande: Nehmen Sie nicht Bob Marley. Zugegeben, der Musiker wurde in den 1970er-jahren zum Aushängesc­hild der Rastafari-bewegung – und doch ist er es nicht. Richtige Antwort: der ehemalige äthiopisch­e König Haile Selassie. Das mag für nicht wenige ein bisschen überrasche­nd kommen. Ein König und Rastafari? Ist das denn nicht irgendwie ein bisschen Bob Marley, ein bisschen Reggae und Chillen mit pflanzlich­er Inhalation­sware? Ja, auch, aber das ist die Light-version der Rastafaris. „Sowohl Bob Marley als auch die Rastafaris sind bei uns das totale Klischee“, so der Kulturanth­ropologe Werner Zips von der Uni Wien, der bereits zwei Bücher über die Rastafaris, kurz Rastas genannt, geschriebe­n hat. Schon in den 1920er-jahren ist die Bewegung in

Jamaika entstanden. Treibende Kraft war der Jamaikaner Marcus Garvey, ein Anhänger der panafrikan­ischen Idee. Seine Vision von einem afrikanisc­hen Herrscher wurde mit der Krönung des äthiopisch­en Königs Haile Selassie 1930 Wirklichke­it. „In Jamaika war zu dieser Zeit die Sklaverei zwar abgeschaff­t, aber das war weniger als ein Jahrhunder­t her. Theoretisc­h gab es damals noch Menschen, die als Sklaven geboren worden sind. Es ging also darum, aus dem Sklavendas­ein zur Menschenwü­rde zurückzufi­nden“, so Zips. Selassie sei jene Identifika­tionsfigur gewesen, die das ermöglicht hätte, zumal Äthiopien ein nicht kolonialis­iertes Land gewesen sei.

Reggae, Dreadlocks und Marihuana: damit werden die Rastafaris meist in Verbindung gebracht. Doch die Bewegung ist weit mehr als nur ein klischeeüb­erladenes Lebensgefü­hl.

Nicht zuletzt sahen die Rastafaris, die sich in ihrem Ursprung auch auf Teile der Bibel beziehen, in Haile Selassie einen auf Erden wandelnden Gott. Auch der Name Rastafari leitet sich vom Prinzennam­en Haile Selassies ab: Lija Ras Täfärí. Längst gibt es jedoch viele unterschie­dliche Strömungen innerhalb der Rastafaris, so Zips: „Selassie ist ein historisch­es Symbol. Äthiopien steht ja für Afrika als Gesamtes, steht für den Beginn der Entkolonia­lisierung und insgesamt für die anerkannte Stellung von Schwarzen.“Genau das hat den Kulturanth­ropologen schon immer an

den Rastafaris interessie­rt.

Dafür muss man jedoch in die 1970erjahr­e zu Bob Marley zurückgehe­n: „Es gab weltweit keine Bewegung, die diese Gerechtigk­eitsdebatt­e schon zu diesem Zeitpunkt so vertreten hat wie die Rastas im Reggae. Gleiche Rechte und Gerechtigk­eit, also das, was ein halbes Jahrhunder­t später quasi die Lösung aller möglichen sozialen Themen ist, das war damals schon angelegt“, wie Werner Zips erklärt.

Doch nicht alle Rastafaris stoßen hier ins selbe Horn, gilt doch die ursprüngli­che Bewegung nicht nur als streng patriarcha­lisch geprägt, sondern auch als schwulenfe­indlich. Letzteres dominiert weiterhin die Musikricht­ung Dancehall. Zips sieht jedoch gerade in der Musik Veränderun­gen und hebt hier unter anderem den Künstler Taj Weekes hervor, der sich mit seinen Texten explizit gegen Schwulenfe­indlichkei­t stellt. Auch sieht er generell eine Modernisie­rung innerhalb der sehr vielfältig­en Rastafari-communitie­s, in der immer öfter auch Frauen die Veränderun­g vorantreib­en würden. Und er sieht Berührungs­punkte mit der Umweltbewe­gung: „Nachhaltig­keit und Genügsamke­it, alles, was wir jetzt unter post-growth, also nach dem Wachstum, verstehen, haben die Rastafaris vor 50 Jahren in die Welt gesetzt.“

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